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Ich möchte dich am liebsten in ein Döschen tun...

Manchmal findet man etwas, das Kostbarer ist, als ein kurzer Flirt, ein gutes Gespräch oder 'ne gute Puzzlepartie. Manchmal findet man jemanden, den man am liebsten in ein Döschen tun möchte. Weil er so wertvoll ist und so kostbar.

Dino war so jemand. 

Ich traf ihn zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Mein Herz war zerfetzt, mein Körper geschunden und ich so zerbrechlich wie ein rohes Ei. Eigentlich war das Ganze absolut zum Scheitern verurteilt.

Dino wohnte genau wie ich in Ruhrpott und wir trafen uns demnach am Wahrzeichen unserer Stadt, an einem Freitagabend. Es gab Budenbier, so wie sich das gehört und ich war ziemlich verzückt von seiner harmlosen Art. 

Harmlos ist vielleicht nicht das Attribut, mit dem Männer sich gerne beschrieben sehen, aber für mich war es genau, was ich brauchte. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl: "Tinderbel, den Mann machst du platt, wenn du nicht aufpasst...!" Und ich wollte aufpassen, das wusste ich direkt.

Dino war der süßeste Mensch auf der Welt, so viel war klar. Er hatte die schönsten Strahleaugen und ein so entzückend hübsches Gesicht, dass mir beim Angucken nur immer wieder in den Sinn kam: "Wie kann man denn bitte so süß sein?!" - ein Satz, den meine beste Freundin im Bezug auf ihren Freund geprägt hatte und der sich mantramäßig in meinem Kopf wiederholte. Hinzu kam seine Stimme und Art zu sprechen. Unschuldig und verspielt - nur unterbrochen von trockenen Sprüchen, die mich immer wieder in schallendes Gelächter ausbrechen ließen.

Das Treffen war gut! Das Gespräch lief und ich hatte das Gefühl, er fühlte sich wohl in meiner Nähe. Als wir beide pinkeln mussten, mündete die Situation in einer kleinen Abenteuerreise. Wir wollten herausfinden, ob man auf das Gebäude, an dem wir uns getroffen hatten, auch aufs Dach konnte und erklommen das schier endlose Treppenhaus. 

Auf der letzten Etage wurden wir plötzlich fast von einer Fledermaus attackiert, die sich in den Turm verflogen hatte und die Tatsache, dass Dino ganz offen kommunizierte, dass er absolute Angst vor Fledermäusen hat, entzückte mich noch ein wenig mehr. Ein Mann, der Ängsten so offen zugeben konnte und dies beim ersten Date tat, statt den Mutigen zu spielen, war mir schon ein Weilchen nicht mehr untergekommen. Stark!

Ich hatte keine Angst und wollte meine neue Freundin gerne beim Abstieg freilassen, aber da hatte sie sich wohl schon selbst befreit. 

Dino und ich waren inzwischen auf dem Dach angekommen, wo sich ein Restaurant verbarg, wo wir kurzerhand ein Bier mit Blick über die Stadt genossen (okay in meinem Fall war es ein leicht überteuerter Aperol Spritz - man gönnt sich ja sonst nix...). Wir zogen noch weiter durch die Stadt, aßen etwas, sahen einem fantastischen Saxophonisten in der Einkaufszone zu und genossen einanders Gesellschaft. Mir machte es Spaß, dass er sich mitziehen ließ in meinem Entdeckersinn und selbst auch Anstöße gab. Und es gefiel mir auch, dass er mich am Ende des Treffens unter einem Vorwand nach Hause brachte. Nicht etwa, um von mir nach drinnen gebeten zu werden, sondern einfach, damit ich nicht alleine im Dunkeln laufen musste. Dass er das aber mit keinem Wort so thematisierte und sich weder zum Helden aufschwang, noch mir das Gefühl gab, ich sei ihm jetzt etwas schuldig, imponierte mir. Ich bat ihn trotzdem mit nach oben und auf ein Bierchen wollte er wohl mitkommen. Gesagt, getan. Nur musste er dank des einen Bierchens dann durch den strömenden Regen zurück nach Hause, wofür er ein paar Tage später die Quittung in Form von Schnupfen bekam. Der Arme.

Wir verabschiedeten uns mit einer kleinen Umarmung. Dass Dino für richtige Umarmungen seine Zeit brauchte, sollte ich noch lernen. Für den Moment war alles absolut ausreichend. 

So angenehm das Treffen auch war, ich hätte zu diesem Zeitpunkt nicht sagen können, dass so viele weitere folgen würden. Zu sehr überwog das Gefühl, diesen Mann mit meiner ungestümen Art komplett zu überfordern. Das Ganze bestätigte sich in den Tagen darauf, als Dino mir schrieb, dass er mich so wild fand. Vielleicht zu wild? Oder doch nur faszinierend wild? Wusste er glaub ich selbst nicht so genau. 

Aber er schickte mir Herzchen und wollte mich wiedersehen. Und das konnte ja erstmal nicht schaden, oder?

Wir trafen uns vier Tage später wieder. Er sammelte mich ein und wir marschierten gemeinsam zum Hafen, redeten, genossen die Sonne und einanders Gesellschaft. Mir gefiel es, wie Dino mich immer wieder fasziniert anfunkelte, wenn ich ihm von meinen Abenteuern erzählte und mit einer Mischung aus Be- und Entgeisterung sagte: "Du bist verrückt!"

Dieser Mensch war wertvoll. Das fühlte ich mit jeder Faser. Aber was mach ich denn jetzt mit ihm? Und was macht er mit mir? Denn obwohl Dino mir ab und an ein klein wenig näher kam, er schwankte hin und her, wie eine Nussschale im Meer. Seine inneren Kämpfe konnte ich förmlich spüren - und ich erkannte mich in ihnen. Das hier fühlte sich verdammt gut an. Aber machte es das auch gut?

Das zweite Treffen verlief ohne Kuss oder andere nennenswerte Annäherungen und ich war geneigt, uns in die platonische Schublade zu stecken. Vielleicht auch, weil mein Herz gerade erst gebrochen worden war... Aber so ganz eindeutig fühlte sich das eben auch alles nicht an. Mir blieb nur die Flucht nach vorne und so fragte ich ihn todesmutig einfach.

Über WhatsApp. 

Ich feige Hündin...

Zurück kam die wohl achtsamste Nachricht, die ich jemals auf so eine Frage bekommen hatte. Der Inhalt? Sowas wie: "Du bist toll - richtig toll! Aber ich glaub für eine Beziehung wären wir zu explosiv... und Freundschaft plus Puzzeln ist nichts für mich. Möchtest du Freunde sein?" 

- und damit hatte er eigentlich genau auf den Punkt gebracht, was ich auch fühlte. Aber Moment mal?! Ein Mann, der mich nicht reduziert und dem tatsächlich menschlich so viel an mir liegt, dass er mich unbedingt in seinem Leben möchte? Irgendwie hatte ich die Hoffnung darauf schon fast aufgegeben. Mein Herz machte einen verzückten Sprung und wurde von mir sogleich mit strengen Worten zur Vorsicht ermahnt. 

"Verbrenn dich nicht!", dachte ich, und: "Verbrenn ihn nicht."

Wir sahen uns wieder, und wie das so ist, wenn man sich Freundschaft schwört: es machte alles irgendwie spannender. Dino gab mir zudem Einblicke in seine Ängste, und da lauerte neben Fledermäusen noch das ein oder andere Buschfeuer in ihm, was bedrohlich an seinem Herzen zehrte. Und ihr wisst ja bereits, dass meine innere Rettungshilfsvereinigung dann aktiviert wird. Ich ließ ihn also noch näher an mich ran. 

Und mit jedem Zentimeter, den wir einander näher kamen, ging mein Herz weiter auf und Dino rutschte tiefer rein.

"Du bist das Beste, was mir in den letzten Wochen und Monaten passiert ist", sagte er, als wir eng nebeneinander auf meinem Balkon saßen, ohne seine Gefühle dabei zu verstecken. Ich schluckte. Nicht, weil mir das zu viel war, sondern weil es mir andersrum ganz genauso ging. Und auch ein bisschen, weil ich keine Wertschätzung mehr gewohnt war. Und auch ein bisschen, weil ich direkt ein wenig Angst bekam, ihn wieder zu verlieren.

Und wie das so ist, wenn zwei verletzte Herzen aufeinandertreffen: Es rumpelte.

Freunde von mir sollten bei einer Cipher auflegen und rappen und ich schlürte Dino mit mir mit, was ihn natürlich wieder darin bestätigte, dass ich 'ne viel zu wilde Maus sei. Machte ihm aber nach zwei Bier auch nichts mehr aus und wir genossen den Abend in vollen Zügen.

Als sich plötzlich ein anderes Bumbledate von mir ankündigte und spontan auch dort vorbeischneien wollte, hätte ich eventuell auf die Bremse treten müssen. Aber ich war naiv. Unsere Fronten waren doch geklärt gewesen? Was soll's also?

Der Typ, nennen wir ihn Pablo aus Sao Paolo, erschien und ging nach zwei weiteren Bier in die Offensive. Vergebt mir, wenn ich den genauen Tathergang nur schemenhaft beschreiben kann, aber sagen wir so, es blieb nicht bei den 4 Bier... und irgendwann haben Palo aus Sao Paolo und ich wohl wild (mein Ruf eilt mir voraus?!) geknutscht. Manche Leser:innen mögen jetzt innerlich aufschreien: "Wie kannst du nur?!" - aber ich habe mir aufrichtig nichts dabei gedacht und keine Sekunde vorausgesehen, was dann passierte.

Plötzlich stand Dino vor mir, Tränen liefen stumm seine Wangen herunter. Er schluchzte nicht. Er verzog nicht einmal das Gesicht. Und das war vielleicht, was mein Herz am allermeisten zerstach. Diesen wundervollen, kostbaren Menschen hatte ich zum Weinen gebracht, Wie konnte ich nur?

Was folgte war Chaos. Mein Versuch meinen Dino zu beruhigen scheiterten und er verschwand in die Nacht. Ich hatte alles versucht, mit ihm gemeinsam nach Hause zu fahren (wir waren immerhin in einem anderen Ruhrpott, als unserem eigenen), aber sein Herz war gebrochen. Und ich war Schuld.

Ich fand mich im Auto von Pablo aus Sao Paolo wieder, der angeboten hatte, mich nach Hause zu bringen, nachdem er mitbekommen hatte, was passiert war. Er wollte sogar Dino mitnehmen, als er meine Tränen sah, aber selbiger ging nicht, oder nur kurz, an sein Handy. Ich versuchte ihn 16 mal anzurufen. Erfolglos. Aber wie das so ist, wenn man betrunken ist, man ist nicht ganz rational und ich hatte kurz vergessen, dass Dino ja schon prima über 30 Jahre ohne mich überlebt hatte und dachte, wenn ich ihn jetzt nicht einsammel, ist er verloren.

Spoiler Alert: Er war nicht verloren. Und während ich mich von Pablo nach Hause fahren ließ und mich mit schnottrigen, verheulten Küssen bei ihm bedankte, war Dino mit dem Zug in unsere Stadt gefahren. Das teilte er mir mit und so täuschte ich kurz an, in meine Wohnung zu gehen, bis Pablo weiterfuhr und huschte dann blitzschnell wieder aus dem Hausflur nach draußen.

Ab zum Bahnhof. Dino abholen. Geht nicht anders.

- An dieser Stelle ist zu sagen, dass es sicherlich Menschen gibt, die, wenn sie an Dinos Stelle gewesen wären und mich am Bahnhof angetroffen hätten, wütend geworden wären. Und dieser Gefahr war ich mir durchaus bewusst. Ich musste aber wissen, dass er okay ist und um die Dramatik der Situation weiter anzuheizen, war sein Handyakku leer. Ich hatte also gefühlt gar keine Wahl... -

Und sowieso, Dino war keiner dieser Menschen. Dino sah mich am Bahnhof, wie ich mindestens semi-verzweifelt nach ihm Ausschau hielt und kam zu mir. Ja, er war wütend und enttäuscht, aber vor allem hatte er Angst gehabt, verletzt zu werden. Und jetzt war es passiert. Und auch wenn ich natürlich eigentlich nichts getan hatte, was gegen unsere Absprache verstoßen hätte, hatte ich ihn dennoch verletzt. 

Aber wir sprachen darüber. Und wir drückten uns. Und wir hatten einander lieb.

Und mit jedem Wort, was wir sprachen, wurde mir klarer, wie gleich wir waren. Und wie sehr wir einander dadurch stützen konnten, wenn wir es irgendwie schafften, einander nicht auseinander zu reißen. 

Und wer weiß. Vielleicht sind wir am Ende diese eine romantische Komödie, wo die Zuschauer:innen und auch alle anderen Charaktere schon die ganze Zeit schon wissen, dass SIE und ER zusammengehören. Und wo ER und SIE darauf beharren, nur Freunde zu sein. Bis ER und SIE am Ende heiraten. 

Aber vielleicht sind wir auch einfach Freunde fürs Leben. Oder auf Zeit.

Eins weiß ich sicher: Dino, ich möchte dich am liebsten in ein Döschen tun. Weil du mir so so kostbar bist. Und ich pass auf dich auf, versprochen...!


Und damit, liebe Leserchen, sind wir in der Gegenwart angekommen. 

Als ich Dino traf, war ich übrigens gerade ganz gut zerfetzt von einem anderen Mann.

Aber das, meine Honigkuchenpferde, ist eine andere Geschichte...

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