Direkt zum Hauptbereich

Black Hawk Down

Die Geschichte von Hawk ist wieder so eine, wo man als Außenstehende:r nur die Hände überm Kopf zusammenschlagen will, um zu rufen: "Bist du denn wahnsinnig? Renn!"

Aber fangen wir vorne an. Als es zwischen Hawk und mir matchte, lebte ich noch in Kleinstadt und war wohl bewegungsfaul, anders kann ich mir nicht erklären, warum ich ihn nicht im Pott besuchte, wo er sein Nest hat. Naja. Kam er also zu mir geflogen und ich holte ihn gentlewomen-mäßig am Bahnhof ab. 

Hawk war groß, dünn und bärtig. Seine Augen waren fast schwarz und sahen irgendwie verloren aus. Bingo, Tinderbel! Ein verlorener Junge, genau dein Beuteschema. Verdammt!

Doch irgendwas rief sogar in mir: Halt! Stopp! In den verlieben wir uns nicht! - aber das heißt ja nicht, dass man ihn nicht retten könnte, oder so?

Ich erinnere mich zugegebenermaßen nur verschwommen an das erste Treffen. Wir müssen wohl viel geredet und ein bisschen geknutscht haben. Viel memorabler war allerdings der nächste Tag. 

Das Treffen fand unter der Woche statt und der Vogel war über Nacht in meinem Nest geblieben und musste von dort aus zur Arbeit. Zwei Stunden nachdem ich ihn am Bahnhof abgesetzt hatte, bekam ich einen Videoanruf. Aus seinem Büro. Er war alleine dort und eindeutig betrunken. Wie hatte er das denn jetzt hinbekommen? 

Mit Wodka, So nämmich. 

Die Flasche hatte er sich am Bahnhof geholt und ein Drittel daraus bereits getrunken. Warum? Das konnte er mir auch nicht beantworten. Stattdessen schmiss er mit populistischen Scheißparolen um sich, die mich entgeistert am Bildschirm zurückließen. Was zum Henker war denn passiert? Dass der Junge 'n bisschen kaputt war, hatte ich ja schon bemerkt, aber das?! 

Es schien fast, als wollte er mich provozieren - wissend, dass ich jegliche Ausländer- und Frauenfeindlichkeit scharf kritisierend gegenübertreten würde. Aber abermals: Warum?!

Er hatte mich ja immerhin angerufen und machte auch keine Anstalten aufzulegen, Und ich? Mich hatte er voll erwischt. Nicht, weil ich verliebt war, sondern weil mein Helferinstinkt aktiviert wurde: Der Junge braucht Rettung! Das arme, verlorene Seelchen sucht doch wahrscheinlich nur nach etwas Liebe und die kann ich doch wohl "providen"? Und wer sich unter der Woche auf der Arbeit betrinkt, braucht eindeutig jemanden, der auf ihn aufpasst. Meine innere barmherzige Samaritanerin war eingeschaltet und ich blieb in der Leitung, ließ mich beschimpfen und ärgern, bis mir die Tränen liefen, aber legte nicht auf. Ich konnte nicht. 

Wer ist schon kaputt?

Das Ganze ging genauso ungesund weiter, wie es angefangen hatte. Wir trafen uns erneut, diesmal bei ihm, in der zweitfurchtbarsten Junggesellenbude, die ich je gesehen hatte. Als wir auf der Matratze auf dem Boden lagen und redeten, fühlte ich mich schäbig, und das obwohl nichts zwischen uns gelaufen war. Selbiges wurde von Hawk lauthals beklagt. 

"Oh man, ich dachte wir puzzeln* heute!"

Kein Witz. Alsob ich die Puzzelbeauftrage vom Dienst bin und für nichts anderes da, um sein Puzzlebedürfnis zu befriedigen. Und wenn ihr jetzt glaubt: Das gibt's doch gar nicht! Wer macht einem anderen Menschen denn ein schlechtes Gewissen, weil er oder sie sich nicht als lebendige Puzzlemaschine zur Verfügung stellt?

Einige. Wirklich einige. Da kommt auch noch so einiges auf euch zu, meine lieben Leserchen...

Aber zurück zu Hawk und mir. Irgendwas in mir, ließ alle gemeinen Worte und Provokationen an mir abperlen. Vielleicht, weil er mir einfach nicht wichtig genug war. Vielleicht auch, weil irgendwas in mir dachte: "Du musst das jetzt aushalten, der braucht das." - Hawk nannte mich später masochistisch. Vielleicht war ich das aus. Was ihn aber wiederum zum Sadisten machte...

Hawk beendete den Kontakt zu mir. Das sei nicht gut, weder für ihn noch für mich. Ich hab ihm stillschweigend Recht und dabei wäre es wohl geblieben, wenn ich nicht Kleinstadt verlassen hätte, um nach Ruhrpott zu ziehen. (und ja das klingt nach grausamem Deutsch, wir tun aber einfach mal so als seinen das beides eigene Städte, damit hier die Anonymität aller Beteiligten halbwegs gewahrt bleibt)

Auf einmal lebten wir in derselben Stadt und die räumliche Nähe ließ mich meine Angel nochmal auswerfen: Vielleicht konnte ich ihn ja doch irgendwie retten? Außerdem hatte es ja durchaus auch klare Phasen gegeben, in denen er sich für sein Verhalten entschuldigt hatte...

Der Vogel biss an und wir sahen uns erneut. Erneut fühlte ich mich schäbig. Erneut machte er mir ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht mit ihm puzzeln wollte. Erneut verhielt er sich von vorne bis hinten absolut ekelhaft. Und erneut ließ ich alles an mir abperlen. Ich verdammte Märtyrerin?!

Hawk beendete den Kontakt zu mir. Ebenfalls erneut. Und während wir eigentlich gar keinen Kontakt hatten, beendete er den Kontakt erneut. An einem Morgen nach irgendeinem Trip, wo er mal wieder das Bedürfnis verspürte, seinen Frust und Ärger über sein Liebesleben an mir auszulassen. 

Mir reichte es. Ich musste mich nicht weiterhin zum Spielball seiner Emotionen machen. Ein Resonanzkörper - etwas anderes war ich nie gewesen. Und ein Boxsack. Das hatte er ja sogar zugegeben. Das Thema war für mich durch. 

Bis vor zwei Wochen...

Ich war auf einem Hip Hop Konzert von Freunden gewesen und landete danach mit Partygruppe Schmetterling auf einem Rave am Hafen. Nichtsahnend, dass zu besagte Partygruppe auch ein gewisser Hawk gehörte... Wer vermutet schon Falken bei Schmetterlingen?

Er stand plötzlich grinsend vor mir und umarmte mich freudig amüsiert. Verdammt, irgendwie sind wir uns dann doch sympathisch, dachte ich noch. Ich war beschwipst und erzählte witzelnd, dass Hawk, den Kontakt zu mir regelmäßig abbrach, es dann aber nicht dabei beließ und wir irgendwie immer wieder aneinander gerieten. Das Gespräch war leicht und belustigt, dann wurde getanzt und ich hatte den Moment schon wieder vergessen, da baute Hawk sich vor mir auf. Was mir denn einfallen würde, solche Lügen zu verbreiten! Er habe den Kontakt nicht "alle zwei Wochen" beendet! 

Ich schluckte. Natürlich war "alle zwei Wochen" eine humoristische Übertreibung gewesen und niemand der Beteiligten hatte auch nur einen zweiten Gedanken an das Gespräch verschwendet, aber Hawk hatte wieder einen Grund gefunden, mich fertig zu machen. Nur waren inzwischen ein paar Monate vergangen und ich war lange nicht mehr so devot seiner Wut gegenüber. 

"Weißt du was? Ich bin nicht mehr dein Boxsack.", sagte ich bestimmt und machte auf dem Absatz kehrt. Der Vogel kann mir den Buckel runterrutschen.

Am nächsten Morgen hagelte er wiederum verdrogte Wutnachrichten, die ich mit einem müden "Blockieren" quittierte. Ich hatte mich lange genug unter Wert verkauft. Und wer mit sich selbst so wenig wertschätzend umgeht, wie ich im Kontakt mit Hawk, muss sich vielleicht nicht wundern, auch so behandelt zu werden. Dennoch trifft mich hier keine Schuld. Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Nicht ihm gegenüber. 

I only let myelf down.

Und damit ist jetzt Schluss. 

Hawk werde ich mit Sicherheit nochmal irgendwo wiedertreffen. Schon alleine, weil ich ein Match mit einem guten Freund von ihm auf Bumble haben... Ooops?

Aber das, meine Lieben, ist eine andere Geschichte.





*zur Erklärung bitte "Fortsetzung folgt" lesen

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Shrimps in Cocktailsauce

Ich liebe Brunch! Noch ein Grund mehr, mich auf das Treffen mit Balu zu freuen. Wir hatten beide Recherche betrieben und uns letztendlich auf ein kleines, gemütliches Café im hipsten Viertel der Stadt geeinigt - weil wir beide natürlich auch super hip sind und so. Nachdem wir uns auf Bumble gematcht hatten, hatte es ewig gedauert, ein Treffen zu vereinbaren. Seine Woche war zu voll, hatte er gemeint, aber danach sähe es besser aus. Für mich war das Code für "nicht so richtig interessiert", denn einen Sonntagnachmittag konnte man doch eigentlich immer irgendwie freischaufeln, oder? Zudem schrieb er, dass er Besuch bekam, erwähnte aber zuerst nicht, wer denn da käme. Mein Kopf ergänzte innerlich: "Bestimmt 'ne andere Frau..." und ich war kurz davor, den Bären Bär sein zu lassen, aber irgendwas ließ mich noch einmal die Angel auswerfen.  Es mag der simplen Tatsache geschuldet sein, dass Balu äußerst gut mit meiner, wie er es nannte, rotzig-frechen Art klar zu komme

Andi, der Kühlschranknazi

Es war kurz nach den Europawahlen und kurz vor meinem großen Umzug. Nachdem ich im Sommer 2018 wieder in mein Heimatdorf und übergangsweise ins Haus meiner Eltern zurückgekehrt war, hieß es jetzt: Möbel besorgen und Umzug planen. Zeit wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Was ich unbedingt wollte (brauchte!), war ein großer Kühlschrank im Vintage-Look. Da große Kühlschränke aber zumeist recht groß sind, war mir schnell klar: Das wird nichts in meinem kleinen, roten Flitzer von einem Auto. Keiner meiner Groß-Auto-besitzenden Freunde hatte Zeit, Mama und Papa auch nicht und so wandte ich einen altbewährten Geheimtipp an: Ich spielte die holde Jungfrau in Not. Ich war sowieso schon im Gespräch mit Andi, dem einfach gestrickten Ex-Soldaten aus Herzebrock, fand ihn aber eher langweilig und uninspiriert. Da ich aber dafür bekannt bin ein Vollblut-Chancengeber zu sein, hielt ich durch und hoffte auf den Froschkönig Effekt. Etwas in mir sagte mir, dass Andi genau der Richtige war für die

Tom Tom

Nach Finn stürzte ich mich in einen regelrechten Datingmarathon. Zu lange hatte mein Ego gelitten, war klein gemacht und vernachlässigt worden. Auch von mir selbst. Zeit also, mich ein wenig wiederaufbauen zu lassen. Und dann am besten ohne, dass es Verletzte gab. Am Freitag traf ich Dino. Am Sonntag Fabi. Am Montag Donny. Dazwischen, am Samstag, traf ich Tom. Ich war auf einem DJ Picknick, ganz nahe am Viadukt, wo Finn und ich uns zum ersten Mal geküsst hatten. Irgendwie fand ich es gut, nochmal dort vorbeizuschauen und mich zu verabschieden.  Eigentlich hatte ich mich bereits damit abgefunden gehabt, den Abend alleine zu verbringen, da meldete sich Tom. Er würde wohl noch vorbeischauen, meinte er und auch wenn ich eine Sekunde zweifelte, ob ich noch Lust hatte länger zu bleiben, siegte die Neugierde auf diesen Menschen. Die Wartezeit überbrückte ich mit einem Spaziergang zu besagter Brücke. Oben angekommen, sah ich andere Menschen und machte wieder kehrt: "Nein, heute kann ich d