Es ist still geworden auf Tinderbel. Und wie es so oft ist, spiegelt das Onlineleben nur bedingt wider, wie das echte Leben aussieht.
Es ist nicht so, als hätte ich mich in den vergangenen zwei Jahren nicht gedated - im Gegenteil! Aber in der Kleinstadt wo ich wohnte fand sich auf halbwegs akzeptablen Abstand wirklich nichts, was mich auch nur ansatzweise interessiert hätte.
Da gab es Denno, der in irgendeiner RTL 2 Realityserie mitspielt und mich trotz dessen irgendwie verzauberte mit Musik von Spaceman Spiff, zarten Händen und strahlend blauen Augen.
"Wie schade, dass du in Hamburg wohnst.", seufzte ich beim Abschied.
"Es gibt aber eine Zugverbindung hierher, oder...?", entgegnete er verschmitzt und hoffnungsvoll zugleich und entzündete auch in mir ein Feuerwerk der Träumerei: Hamburg? Da wollte ich eh immer mal leben, also wenn das in letzter Konsequenz nötig wäre, warum nicht?
Die Ponys waren mal wieder mit mir durchgegangen und die Quittung gab es in der Form, dass der gute Denno sich erstmal sieben Tage lang überhaupt gar nicht meldete.
Hä? Romantisches Übernachtungsdate bis spät in den nächsten Nachmittag hinein mit hoffnungsvoll wehmütiger Verabschiedung und er ghosted mich einfach? Frechheit.
Was folgte war kurzes Gaslighting in die Richtung, es wäre doch immer klar gewesen, dass das einmalig war und wäre ja auch alles utopisch mit dem Abstand zwischen Kleindstadt und Hamburg und so und bla bla bla. Meiner Vermutung nach, war ihm die Bewunderung der RTL 2 Zuschauer doch etwas zu sehr zu Kopf gestiegen. Unberechtigterweise im Übrigen, denn seine Schauspielkünste ließen mich und meine gute Freundin Monscha eine Woche später noch schreiend vor Lachen zurück. Lag aber nicht nur an ihm. war auch "bad writing".
In meiner Soap gab's für ihn jedenfalls keine zweite Staffel.
Abgesehen von ein paar Eintagsfliegen gab es da noch Kolja, den Suppe kochenden Ukrainer, dem das Patriarchat etwas zu sehr zu Kopf gestiegen war (O-Ton: "Gleichberechtigung ist ja wichtig, aber die haben wir doch schon lange?" - bitte mit schwerem Akzent, aber freundlicher Stimme lesen, um das richtige Gefühl zu bekommen.
Kolja und ich hatten uns verabredet und plötzlich war ich krank. Nein, kein Coronski, ne stinknormale Erkältung. Kolja ließ sich dann auch nicht davon abbringen, mich trotzdem zu besuchen und mir eine heiße Suppe mitzubringen. Schon süß! So viel Sorge war ich gar nicht gewohnt!
Das erste Treffen war dann auch eine kleine Wohltat und natürlich FSK 0, denn mit Schniefnase knutscht es sich bekanntlich nicht so gut. Er sah mich nur verzaubert an, mit seinen blitzenden, tief braunen Augen, die aus dem bärtigen Gesicht zu mir rüberfunkelten. Ein zweites Treffen wurde verabredet, denn er musste sich ja weiterhin um mich kümmern, fand er, und ich nahm das mal so an. Ich war ehrlicherweise körperlich auch zu schwach, um mich zu wehren und dankbar für die Zuneigung.
Er kam also am nächsten Tag wieder - diesmal mit einer ziemlich kitschigen Kuscheldecke, die ich mir schön redete und zur "Weihnachtsdecke" erkor, die dann planmäßig für die vier Wochen rund Weihnachten aus dem Keller ins Wohnzimmer darf. Und sowieso, die Geste zählt und so kuschelte ich mich gemütlich ein und war vielleicht sogar noch dankbarer, dass ich nur die Decke kuscheln musste, und Kolja keine anderen Gegenleistungen verlangte.
Was das betraf war er ein wahrer Gentleman. Es war zwar zu merken, dass er durchaus Interesse daran hatte, mich zu kuscheln und zu küssen, aber er hielt sich zurück. Eine Erkältung hatte er nach den zwei Abenden bei mir trotzdem. Ooops. Wir mussten uns also mit Schreiben begnügen, was mir nicht so schlecht auskam, da ich immer noch keine richtige Ahnung hatte, was ich nun eigentlich von diesem Mann wollte.
Es folgte ein Austausch an WhatsApp Nachrichten und Kolja erkundigte sich immer wieder relativ eindringlich danach, ob ich auch genug gegessen hätte. Das Ganze hatte etwas von einem sehr strengen, altmodischen Vater, den ich selbst nie gehabt hatte. Er war wahnsinnig dominant, aber auf eine für mich sehr abschreckende Art und Weise.
Als ich letztendlich einen Witz machte, schrieb er mir tagelang nicht zurück, was ich allerdings auch erst nach 4 Tagen bemerkte. Da war mir klar, dass ich ihn nicht so sah, wie er mich. Ich meldete mich erneut, in der Absicht den Kontakt freundlich zu beenden und erhielt eine kleine Schimpftirade, als ich fragte, ob alles okay sei bei ihm.
"Du hast so frech reagiert, dass ich dachte, ich antworte erstmal ein paar Tage nicht.", kam es von ihm.
Wie bitte? Mir klingelten die Ohren gehörig und in mir entstand das deutlichste NEIN, was ich je einem Mann gegenüber gefühlt habe. Der spinnt ja wohl! Ich bin eine erwachsene Frau und brauche keine Erziehungsmaßnahmen von einem Mann, den ich gerade 5 Minuten kenne!
So oder so ähnlich hab ich wohl auch reagiert und dann seine Nummer gelöscht. Ihm blieb von mir nichts, außer einer zeitweisen Schniefnase, mir bleibt immerhin eine kitschige Weihnachtsdecke.
Das wären dann auch schon alle nennenswerten Dates der letzten zwei Jahre gewesen, gäbe es da nicht Hawk... Aber das, meine Kinder, ist eine andere Geschichte...
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