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Lausbub & Lagerfeuer

Daniel aka Dan ließ mich mit Rätseln und Lagerfeuererinnerungen im Kopf zurück.Was genau hatte ich dieses Mal falsch gemacht?

Aber zurück auf Anfang:
Daniel, Anfang 40, schickte mir schon auf Tinder einige Kostproben seiner Songs. Meistens finde ich sowas eher unangenehm, da ich - wiederum meistens - alles mies finde, was mir andere Tinderianer so zuschicken. das liegt nicht unbedingt daran, dass sie alle untalentierte Musikhörste sind, sondern ist häufig der Tatsache geschuldet, dass ich musikalisch eher intolerant bin: Ich mag eigentlich nur akustische Musik. Ausnahmen bestätigen zwar die Regel, aber die Chance, dass mir ein Lied im Bereich Minimal oder Goa gefällt, ist gleich null.

Daniels Musik war anders. Eher deutscher Oldschool Hip Hop a la Blumentopf. Das gefiel mir sogar! Er erzählte mir, er müsse die Kids gerade wegbringen. Kids? Hatte er das schon erwähnt?
Vorsichtshalber fragte ich diplomatisch: "Wie viele Kinder hast du denn eigentlich?"
"Habe 2 Kids, 6 und 9. Und du?", antwortete er kurzangebunden, wie jemand der immernoch unterwegs ist, oder einfach keinen Bock auf ein Gespräch hat. Zum Glück traf hier ersteres zu.

Witzigerweise bin ich ja immer empört, wenn mich jemand fragt, ob ich Kinder habe. "Wie bitte? Ich? Nein! Zum Glück nicht!", platzt es dann aus mir hervor, was natürlich ziemlich bescheuert ist. Nur weil für mich seit einigen Jahren klar ist, dass ich absolut keine Kinder will, heißt das ja nicht, dass der Rest der Welt das weiß.
Ich bin 31. Gebärfreudiges Alter, würden meine männlichen Freunde über 50 vielleicht sagen. (Bah, ist das übrigens ein ekelhaftes Wort! Gebärfreudig. Als ob irgendjemand gerne Wassermelonen aus seiner Vagina presst...!) Dennoch bin ich mir bei meiner Entscheidung sehr sicher, was aber nicht heißt, dass es mich stört, sollte mein eventueller Partner Kinder haben - solange sie nicht bei ihm wohnen zumindest.
Jaaaa ich weiß, das klingt gemein. Ich bin halt eher der Verückte-Tanten-Typ.. oder meintewegen Omma Tinderbella. Das reicht aber auch.

Zurück zu Dan: Seine Kinder lebten bei seiner Ex, er lebte mit seinem besten Freund auf einem Hof in der Nähe von Osnabrück. Beide waren relativ frisch getrennt. Ich fand das Konzept interessant und war neugierig, auf diesen Hof, von dem er so schwärmte.
Er war wiederum neugierig auf meine Musik. Ich schickte ihm einen Song und bekam prompt eine Antwort: "Nicht meine Mukke, aber du kannst singen Baby!"
Na. Immerhin.

Er schwärmte von seinem selbstgemachten Curry und bot mir an, es mal für mich zu kochen.  Er stellte Fragen, zeigte richtig viel Interesse und ich war fast begeistert. Äußerlich war er jetzt nicht der Typ, bei dem ich direkt weiche Knie bekam, aber er sprach mich dennoch sehr an.

Ich schlug ein zeitnahes Treffen vor, ganz ungezwungen am Lagerfeuer mit einigen seiner Freunde. Er fand das gut. Wir frotzelten noch ein wenig darüber, ob eine Kindheit in den 80ern besser war, als in den 90ern. (O-Ton Dan: "Du bist die Blume auf dem Scheißhaufen [der 90er]")
Dann war auch schon Wochenende und ich war drauf und dran in meinen roten Flitzer zu steigen, als ich eine 7minütige Sprachnachricht von Dan sah. Oh je.

Der Inhalt kann in Kurzform und parafrasiert ungefähr so wiedergegeben werden:
"Bitte sag nicht, dass wir uns über Tinder kennen. Ich weiß nicht genau, ob ich noch zurück zu meiner Ex will."

Ui. Ich bin ja nicht so der Lügentyp und sage häufiger die Wahrheit, als mir gut tut... was nun? Klar, Dan hatte nicht wörtlich gesagt, dass er sich die  Option mit der ex noch offen halten wollte, aber er wollte eben auch nicht, dass sie davon erfahren würde, dass er wieder Dating betrieb. Nicht nur, dass er also im Voraus erbat, die wahre Art unseres Kennenlernens zu verheimlichen, er wollte auhc, dass wir gemeinsam eine lupenreine Lügengeschichte erfanden. War das nicht ein bisschen übertrieben?

Seine Idee war, wir hätten uns über eine "Musiker gesucht Seite" im Netz gefunden, weil ich jemanden für meine Band suchte. Dass wir uns einfach im Netz kennengelernt hatten, reichte ihm nämlich nicht: Mehr Details mussten her. Ich gab zu bedenken, dass bestimmt niemand so weit fragen würde, aber Dan war unerbittlich.
Da ich so neurotische Menschen ja immer ein wenig amüsant finde, sah ich das Lügengespinst als nette Herausforderung. Da konnte ich ja mal wieder richtig schauspielern. Why not?

Ich fuhr also los und parkte nach einstündiger Fahrt an einem wunderschönen Gehöft. Dan hatte mir schon erzählt, dass der Hof einem recht jungen Pärchen gehörte (lies: Anfang 40), und er und sein bester Freund einen Teil des Hofes bewohnten. Außer den Erwachsenen tummelten sich noch einige Kinder auf dem Gelände. Ich verstand nicht ganz, wer zu wem gehörte, es war mir aber auch egal. Dan's Kinder waren natürlich nicht da - wäre ja noch schöner! Erstes Date mit den Kids dabei...
Da ist die Bindunsstörung vorprogrammiert.

Wie versprochen hatte Dan ein (veganes!) Curry vorbereitet. Ähnlich wie der Veganist aus Utrecht gehörte er zu den alkoholabstinenten Veganern. Im Gegensatz zu seinem holländischen Pendant rauchte er jedoch gerne Naturkräuter und so...
Im Curry befand sich mein persönlicher Endgegener: Pilze. Ich hasse Pilze. Mehr noch als warme Ananas, Kümmel und gekräuselte Petersilie. Schwammig, schmodderig und muffig im Geschmack, wie sie mir erscheinen, habe ich den Pilzhype nie verstanden. Da ich aber nur ungern im Essen rumstochern wollte, biss ich die Zähne zusammen und aß die Pilze mit. Gott sei Dank war das Curry ziemlich scharf, was den Pilzgeschmack wohl abgetötet hatte, denn ich überlebte das Curry unversehrt. Glück gehabt!

Beim Essen gesellten sich abwechselnd einige Kinder zu uns, die neugierig durchs Haus streunten. Am hartnäckigsten war der 12jährige Sohn des besten Freundes, der kurzerhand mitaß. Ein drolliges Kerlchen, welches uns eifrig aus seinem Leben erzählte und uns ausfrug. Und da kam sie!
Die gefürchtetete Frage!
"Woher kennt ihr euch denn?", fragte Matz mit großen Augen.
Dan und ich wechselten einen schelmischen Blick und tischten unsere ausgeklügelte Lüge auf.
- Internet und so, wir sind beide Musiker und so. -
Matz, der Lausbub, gab sich damit nicht zufrieden:
"Welche Seite war das denn?"

"So eine Seite auf der man Musiker sucht."

"Und wie heißt die genau??", löcherte Matz weiter.

Ich musste mir wirklich das Lachen verkneifen. Dan hatte Recht gehabt, es gibt also doch Menschen, die weiter fragen: Kinder! Kinder sind, neben Pilzen, mein zweiter Endgegner.

"Musikergesucht.de", antworteten wir wie aus einem Munde. Glaubwürdigkeit? Check! Schauspielerische Leistung? Eher so mittel.

Egal, für Matz hatte es gereicht. Der war inzwischen eh zu beschäftigt damit, so zu tun, als wäre ihm das Curry nicht zu scharf und begann leicht zu schwitzen.

Nach dem Essen ging's ans Lagerfeuer, wo wir neben dem besten Kumpel auch das junge Pärchen trafen mitsamt einem weiteren befreundetetn Paar. Keiner von denen fragte im Übrigen auch nur ein einziges Mal an diesem Abend, woher wir einander kannten. Easypeasy.

Die Location war ein Traum. Um den Lagerfeuerplatz war eine Art Strand entstanden, mit viel Sand und Sitzmöglichkeiten aus Treibholz. Daneben befand sich ein bunt angemaltes Carport, was mit Lichterketten verziert war. Es war wie auf einem ziemlich hippen Festival, nur mit viel weniger Menschen und weniger Drogen.
Der Abend verlief ziemlich perfekt. Wir holten unsere Gitarren raus und musizierten zusammen. Dan und sein Kumpel spielten ihre Blumentopfmusik vor und ich improvisierte dazu mit Gesang und Gitarre. Dann spielte ich meinen Kram und wir drehten die Rollen um. Klang beides ziemlich gut.
Zum Lagerfeuer gesellte sich auch noch eine ziemlich abgedrehte Freundin der Hofbesitzerin. Mir kam es so vor, als würde Dan die ziemlich ich gut finden. Als sie weg war erzählte er mir, dass er sie ziemlich dumm fand. So viel zu meiner Menschenkenntnis?

Wir gingen - in meinem Fall - ziemlich angeschickert und in seinem Fall ziemlich breit ins Bett. Ich war plötzlich hundemüde und wollte einfach nur schlafen. Dan hatte mir im Voraus deutlich gesagt, das er für Körperlichkeiten noch nicht bereit sei, weil die Trennung noch so frisch war. Ich hatte das als beruhigend erfunden: Dann musste ich wenigstens nicht mit Mühe und Not einen Typen, den ich kaum kannte, zurückweisen. Leider hatte Dan seinem eigenen Körper nichts von diesen Vorbehalten erzählt, und so wurde er doch sehr anhänglich im Bett...

Man kann sich jetzt darüber streiten, ob es schlau ist, mit einem fremden Mann in einem Bett zu schlafen, ich hatte jedenfalls im Voraus wenig Bedenken gehabt. Er wollte ja nur Kuscheln und ich fand das prima. Außerdem hatte ich meine Tage...
Ich weiß bei Gott nicht mehr, was genau in dieser Nacht passiert ist, nur, dass ich am nächsten Morgen allein im Bett aufwachte.

Es gibt ja wenig furchtbareres, als in einem fremden Haus aufzuwachen und nicht zu wissen, was man tun soll. Das einzige, was noch schlimmer ist, ist alleine in einem fremden Männerhaushalt aufzuwachen und zu wissen, dass man kein neues Tampon mehr hat.

Es wurde also höchste Zeit, dass ich hier weg kam, nur musste ich dazu erstmal Dan finden. Ich stolperte schlaftrunken über den Hof, im Kopf die Phantasie, er könne am Lagerfeuer liegen. Tat er nicht. Auch sonst konnte ich draußen nichts von ihm entdecken. Ich lief also zurück ins Haus und fand ihn letztendlich, noch viel schlaftrunkener als mich selbst, im Musikzimmer auf der Couch.

Die Stimmung zwischen uns war irgendwie unfassbar unentspannt, auch wenn ich nicht genau wusste, warum. Am Abend zuvor hatten Dan und sein Kumpel noch gesagt, ich müsse unbedingt auf ihrem nächsten Minifestival spielen. Jetzt fühlte es sich eher nach "Auf Nimmerwiedersehen" an.

Dan blieb höflich, sagte aber auch direkt, dass er gleich weg müsse.. Ah ja. Das war Geheimsprache für: "Geh bitte."
Aufgrund meines Tamponnotstandes und der unangenehmen Atmosphäre fand ich das mehr als prima. Er druckste noch rum, dass er nicht wikrlich Frühstück im Haus habe, machte mir aber einen Kaffee. Zucker? Ach so, nee, hat er nicht. Zucker hatte er abgeschworen... Na Bravo.
Ich trank zuckerlosen Krümelkaffee und verabschiedete mich mit einer Umarmung, die von ihm mittelmäßig erwidert wurde. Er tat auhc gar nicht mehr so, als würde er mich wiedersehen wollen.

Ich fuhr los und grübelte den gesamten Rückweg lang, was genau passiert war. War er einfach noch nicht so weit? Hatte er sich vor sich selbst erschrocken und bereut, mit mir gekuschelt zu haben? war er deshalb mitten in der Nacht aus dem Bett verschwunden?

Darauf angesprochen sagte er, dass alles gut sei. Danach hat er sich aber nie wieder von alleine gemeldet.
Bis heute weiß ich nicht, warum Dan auf einmal so kühl war. Ich hätte es wohl vorgezogen, er hätte mir einen Korb gegeben. Wieder einmal hatte ich zwar kein Beziehungspotenzial in jemandem gesehen, hätte es aber durchaus schön gefunden, Kontakt zu halten. Schon allein weil es musikalisch so gut klickte. Vielleicht hatte er auch einfach gemerkt, dass ich mich mit seinem besten Kumpel menschlich noch etwas besser verstanden hatte, als mit ihm. Wer weiß.

Dan, wenn du das liest: Ich wünsch dir alles Gute.
Du hast es trotz des seltsamen Endes in die Gruppe der Highlights geschafft.
Prost!

(ach nee, du trinkst ja nicht)






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