Carlo war von Anfang an anders als (Alliterationsalarm!) der Rest. Er war kreativ, schrieb pfiffiger und weitaus interessanter, als ich es von Tinder gewohnt war.
Wir matchten einander vor ein paar Monaten. Naja.. um genau zu sein, hatte ich Carlo gar nicht selbst gemacht. Es war Frühling und ich war zusammen mit einem Kumpel am See. Wir erzählten einander von missglückten Dates, als uns die grandiose Idee kam, füreinander zu Swipen und zu Matchen. Vielleicht hatten wir ja ein besseres Auge für den jeweils anderen, als für uns selbst. Ich ärgerte mich lautstark darüber, dass in der Homo-Variante von Tinder deutlich attraktivere Männer zu finden waren, akzeptierte mein Schicksal aber schnell, als ich meine neuen Matches begutachtete.
Carlo war Halbitaliener, seine Augen verrieten Witz und Charme und auch wenn ich bis heute nicht weiß, ob ich ihn auf Basis seines Profils überhaupt gematcht hätte, war ich froh, als ich eine Nachricht von ihm erhielt, die die gähenden "Hey, wie geht's"-Langeweile auf Tinder zerbrach. Er fragte mich nach 5 Musikstücken, die mich widerspiegelten. In solchen Momenten ist man als Tinderinanerin ja durchaus bemüht einen guten Mix zu präsentieren, der im besten Fall alle Facetten unserer Seele abbildet. Ich wählte Titel von Crosby, Stills, Nash & Young, The Beatles, Damien Rice, Kings of Convenience und irgendetwas, an das ich mich jetzt schon nicht mehr erinnere. Vielleicht einen Song von Oren Lavie? Wer weiß. Es war ein guter Mix aus fröhlich und melancholisch, aus alt und neu - und etwas in mir, wollte ihn da schon beeindrucken.
Er schrieb mir seine 5 Titel. Ich kannte keinen einzigen, hörte aber direkt rein und ich weiß noch genau, was mein erster Eindruck war: Ganz schön düster. Aber nicht schlecht.
Wir schrieben hin und her, wechselten auf WhatsApp und die erste Sprachnachricht folgte schnell.
BUMM.
Das schlug ein, wie eine Bombe. Seine Stimme war tief und rauchig und machte mir weiche Knie. Ich war, wie man so schön auf English sagt: hooked. Ich hing an seinem Haken, wie ein Fisch an der Angel. Die nächsten Tage verbrachte ich damit, all meinen Freundinnen seine erste Sprachnachricht vorzuspielen, und sie reagierten alle gleich: Wow!
Dann kam das Osterwochenende. Ich lud ihn spontan zum Osterfeuer bei Freunden ein und er überwog, zu kommen. Wir hielten Kontakt, den Abend über und plötzlich war er aus dem Äther verschwunden. Keine Antwort mehr. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich übelst abzuschießen.
Ich wachte neben einem guten (platonischen) Freund auf, der mit seinem Schnarchen gut und gerne einen Hörsturz bei anderen hätte verursachen können.Auf meinem Handy eine Nachricht von Carlo:
"Ich hätte zum Osterfeuer kommen sollen..."
Diese kryptische Nachricht entpuppte sich später als: "Meine Ex hat gestern noch angerufen und ich bin rangegangen und jetzt weiß ich nicht mehr was ich will." Ärgerlich.
Er verfolgte mit: "Ich glaub ich hab gerade zu viel Chaos, lass uns mal den Kontakt besser abbrechen."
PUFF.
Der Match mit dem meisten Potenzial und jetzt wollte er verschwinden? Da kannte er aber noch nicht meine zweite Superhelden-Persönlichkeit: Verständnis-Woman!
Ich mimte mal flux die coolste Frau auf Erden und machte ihm deutlich, dass ich 1. gerade gar nichts Festes suchte (das stimmte) und es mir 2. gar nichts ausmachte, dass er noch auf seine Ex stand (das stimmte nicht).
Funktionierte, mehr oder weniger. Carlo war da eher der ambivalente Typ, der gut und gerne zwei komplett widersprüchliche Ansichten innerhalb von 10 Minuten vertreten konnte. Leider wirkt komplizierter Scheiß wie ein Magnet auf mich, also blieb ich dran.
Ein paar Tage später war ich für einen Termin in Münster, wo er wohnte und ich fragte, ob er nicht spontan Lust auf ein unkompliziertes Bierchen habe. Denn oh yeah, ich bin natürlich wahnsinnig unkompliziert und habe keine Erwartungen und so. Easypeasy-lemonsqueezy!
Nach ein wenig Hin und Her und weiteren Warnungen, wie kompliziert gerade alles sei (oh yeah, kein Problem für Verständnis-Woman!), willigte er ein. Wir trafen uns am Hafen. Ich erblickte ihn, als ich gerade probierte Einzuparken. Das war etwas peinlich für mich, aber gut für ihn, denn er hatte direkt die Möglichkeit seinen eigenen Superheldencharakter zu präsentieren: Carlo Coolman!
Ganz lässig sagte er mir, ich könne einfach so stehenbleiben und das tat ich auch.
Carlo trug eine verschlissene Lederjacke und Converse Chucks zu seinem wilden, leicht grau melierten Haar und seinen tiefbraunen Augen. Es war gar nicht so sehr sein pures Aussehen, dass mich beeindruckte, sondern sein unglaublicher Charme. Er war 10 Jahre älter als ich und hatte genau diese laissez-faire, scheißegal Einstellung, die mich an Männern faszinierte. Er hatte Dosenbier gekauft und wir setzten uns damit ans Hafenufer und redeten. Er erzählte von seiner Familie und von der perfekten Pizza, ich hörte viel zu. 2 Stunden flogen vorbei und ein Sturm zog auf, also machten wir uns von dannen. Ich bot an, ihn nach Hause zu bringen, aber er war mit dem Rad da und zog vor, es nach Hause zu schieben. Dies und meine schlechte Orientierung in Münster resultierten darin, dass ich beim Wegfahren noch mindestens 2 Mal an ihm vorbeifuhr, was mir glücklicherweise nur semi-peinlich war.
Mit einem Lächeln fuhr ich heim. Beim Abschied hatten wir uns umarmt und unfassbar tief in die Augen geguckt. Carlo hatte den intensivsten Blick der Welt und ich war drauf und dran ihn zu küssen, obwohl der Umgang zwischen uns bis zu diesem Punkt eher kumpelhaft war. Ich tat es nicht. Er hatte ja Gefühlschaos und ich war Verständnis-Woman, also wollte ich ihm einen eventuellen ersten Schritt überlassen.
Noch während der Fahrt sah ich eine Nachricht von ihm auf meinem Handy aufblinken: "Da war sehr angenehm." Ich grinste noch ein wenig mehr. Ja. Das fand ich auch.
Ich suchte zu diesem Zeitpunkt, wie bereits erwähnt, keine Beziehung. Ich wollte jemanden kennen lernen, in den ich ein kleines Stück versinken konnte. Jemand, der mich tangierte, inspirierte und faszinierte und all diese Dinge, trafen auf Carlo zu.
Jetzt musste ich nur noch hoffen, dass sich diese Ex selbst ins Aus schießen würde, aber das stellte sich noch als deutlich schwieriger heraus, als erwartet...
(Fortsetzung folgt)
Wir matchten einander vor ein paar Monaten. Naja.. um genau zu sein, hatte ich Carlo gar nicht selbst gemacht. Es war Frühling und ich war zusammen mit einem Kumpel am See. Wir erzählten einander von missglückten Dates, als uns die grandiose Idee kam, füreinander zu Swipen und zu Matchen. Vielleicht hatten wir ja ein besseres Auge für den jeweils anderen, als für uns selbst. Ich ärgerte mich lautstark darüber, dass in der Homo-Variante von Tinder deutlich attraktivere Männer zu finden waren, akzeptierte mein Schicksal aber schnell, als ich meine neuen Matches begutachtete.
Carlo war Halbitaliener, seine Augen verrieten Witz und Charme und auch wenn ich bis heute nicht weiß, ob ich ihn auf Basis seines Profils überhaupt gematcht hätte, war ich froh, als ich eine Nachricht von ihm erhielt, die die gähenden "Hey, wie geht's"-Langeweile auf Tinder zerbrach. Er fragte mich nach 5 Musikstücken, die mich widerspiegelten. In solchen Momenten ist man als Tinderinanerin ja durchaus bemüht einen guten Mix zu präsentieren, der im besten Fall alle Facetten unserer Seele abbildet. Ich wählte Titel von Crosby, Stills, Nash & Young, The Beatles, Damien Rice, Kings of Convenience und irgendetwas, an das ich mich jetzt schon nicht mehr erinnere. Vielleicht einen Song von Oren Lavie? Wer weiß. Es war ein guter Mix aus fröhlich und melancholisch, aus alt und neu - und etwas in mir, wollte ihn da schon beeindrucken.
Er schrieb mir seine 5 Titel. Ich kannte keinen einzigen, hörte aber direkt rein und ich weiß noch genau, was mein erster Eindruck war: Ganz schön düster. Aber nicht schlecht.
Wir schrieben hin und her, wechselten auf WhatsApp und die erste Sprachnachricht folgte schnell.
BUMM.
Das schlug ein, wie eine Bombe. Seine Stimme war tief und rauchig und machte mir weiche Knie. Ich war, wie man so schön auf English sagt: hooked. Ich hing an seinem Haken, wie ein Fisch an der Angel. Die nächsten Tage verbrachte ich damit, all meinen Freundinnen seine erste Sprachnachricht vorzuspielen, und sie reagierten alle gleich: Wow!
Dann kam das Osterwochenende. Ich lud ihn spontan zum Osterfeuer bei Freunden ein und er überwog, zu kommen. Wir hielten Kontakt, den Abend über und plötzlich war er aus dem Äther verschwunden. Keine Antwort mehr. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich übelst abzuschießen.
Ich wachte neben einem guten (platonischen) Freund auf, der mit seinem Schnarchen gut und gerne einen Hörsturz bei anderen hätte verursachen können.Auf meinem Handy eine Nachricht von Carlo:
"Ich hätte zum Osterfeuer kommen sollen..."
Diese kryptische Nachricht entpuppte sich später als: "Meine Ex hat gestern noch angerufen und ich bin rangegangen und jetzt weiß ich nicht mehr was ich will." Ärgerlich.
Er verfolgte mit: "Ich glaub ich hab gerade zu viel Chaos, lass uns mal den Kontakt besser abbrechen."
PUFF.
Der Match mit dem meisten Potenzial und jetzt wollte er verschwinden? Da kannte er aber noch nicht meine zweite Superhelden-Persönlichkeit: Verständnis-Woman!
Ich mimte mal flux die coolste Frau auf Erden und machte ihm deutlich, dass ich 1. gerade gar nichts Festes suchte (das stimmte) und es mir 2. gar nichts ausmachte, dass er noch auf seine Ex stand (das stimmte nicht).
Funktionierte, mehr oder weniger. Carlo war da eher der ambivalente Typ, der gut und gerne zwei komplett widersprüchliche Ansichten innerhalb von 10 Minuten vertreten konnte. Leider wirkt komplizierter Scheiß wie ein Magnet auf mich, also blieb ich dran.
Ein paar Tage später war ich für einen Termin in Münster, wo er wohnte und ich fragte, ob er nicht spontan Lust auf ein unkompliziertes Bierchen habe. Denn oh yeah, ich bin natürlich wahnsinnig unkompliziert und habe keine Erwartungen und so. Easypeasy-lemonsqueezy!
Nach ein wenig Hin und Her und weiteren Warnungen, wie kompliziert gerade alles sei (oh yeah, kein Problem für Verständnis-Woman!), willigte er ein. Wir trafen uns am Hafen. Ich erblickte ihn, als ich gerade probierte Einzuparken. Das war etwas peinlich für mich, aber gut für ihn, denn er hatte direkt die Möglichkeit seinen eigenen Superheldencharakter zu präsentieren: Carlo Coolman!
Ganz lässig sagte er mir, ich könne einfach so stehenbleiben und das tat ich auch.
Carlo trug eine verschlissene Lederjacke und Converse Chucks zu seinem wilden, leicht grau melierten Haar und seinen tiefbraunen Augen. Es war gar nicht so sehr sein pures Aussehen, dass mich beeindruckte, sondern sein unglaublicher Charme. Er war 10 Jahre älter als ich und hatte genau diese laissez-faire, scheißegal Einstellung, die mich an Männern faszinierte. Er hatte Dosenbier gekauft und wir setzten uns damit ans Hafenufer und redeten. Er erzählte von seiner Familie und von der perfekten Pizza, ich hörte viel zu. 2 Stunden flogen vorbei und ein Sturm zog auf, also machten wir uns von dannen. Ich bot an, ihn nach Hause zu bringen, aber er war mit dem Rad da und zog vor, es nach Hause zu schieben. Dies und meine schlechte Orientierung in Münster resultierten darin, dass ich beim Wegfahren noch mindestens 2 Mal an ihm vorbeifuhr, was mir glücklicherweise nur semi-peinlich war.
Mit einem Lächeln fuhr ich heim. Beim Abschied hatten wir uns umarmt und unfassbar tief in die Augen geguckt. Carlo hatte den intensivsten Blick der Welt und ich war drauf und dran ihn zu küssen, obwohl der Umgang zwischen uns bis zu diesem Punkt eher kumpelhaft war. Ich tat es nicht. Er hatte ja Gefühlschaos und ich war Verständnis-Woman, also wollte ich ihm einen eventuellen ersten Schritt überlassen.
Noch während der Fahrt sah ich eine Nachricht von ihm auf meinem Handy aufblinken: "Da war sehr angenehm." Ich grinste noch ein wenig mehr. Ja. Das fand ich auch.
Ich suchte zu diesem Zeitpunkt, wie bereits erwähnt, keine Beziehung. Ich wollte jemanden kennen lernen, in den ich ein kleines Stück versinken konnte. Jemand, der mich tangierte, inspirierte und faszinierte und all diese Dinge, trafen auf Carlo zu.
Jetzt musste ich nur noch hoffen, dass sich diese Ex selbst ins Aus schießen würde, aber das stellte sich noch als deutlich schwieriger heraus, als erwartet...
(Fortsetzung folgt)
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