"Man kann auch mal ein bisschen toleranter sein!", schrie mir einer meiner Matches noch nach, während ich schon dabei war ihn aufzulösen.
Zur Zeit ist mein Matchverschleiß höher als der Umsatz von Mundschutz-Masken (Munschutze? Mundschütze? Mundschutzvorrichtungen?) und ich bin mehr als unzufrieden.
Gut, man kann annehmen, dass meine aktuelle negative Grundstimmung nicht gerade dazu beiträgt, dass ich friedfertige Gespräche führe. Dennoch überrascht mich die Respektlosigkeit vieler Datinganwärter doch jedes Mal aufs Neues.
Mein Profil hatte ich irgendwann angepasst: Von fröhlich flapsig und unkompliziert, zu gnadenloser Ehrlichkeit: "Ich suche jemanden, der sich für mich als vollständige Person interessiert." Denn das war wirklich, was ich wollte. Sollte das nicht reichen, um ein paar gute Fische an Land zu ziehen?
Spoiler.Warnung: Nein.
Die Anzahl sexualisierter Begrüßungen auf Tinder ist "too damn high" - verdamm nochmal viel zu hoch! Und für jeden, der gerade nochmal das Einmaleins des Sexismus braucht, um sich angemessen mit einer Frau zu unterhalten, dem helfe ich hier gern auf die Sprünge.
"Du siehst heiß aus!" - okay, oder nicht okay?
Nicht okay. Warum? Weil dieser Kommentar Frauen sexualisiert, ihr Aussehen also in Bezug bringt mit Sexualität.
"Stell dich nicht an, ist doch nett gemeint!" - Warum denkst du, dass eine Frau sich dadurch geschmeichelt fühlen müsste, dass du dir vorstellen kannst, mit ihr zu schlafen? Meinst du, ein Mastschwein freut sich darüber, wenn du dir vorstellen kannst, es zu vernaschen? Und den Vergleich findest du übertrieben? So fühlt es sich aber an, ständig sexualisiert zu werden. Man fühlt sich wie eine Ware.
Frauen sind nicht auf der Welt, um dir zu gefallen; um von dir attraktiv, sexy oder anziehend gefunden zu werden. Und es adelt uns nicht, dass du uns auf den Hintern, oder die Brüste guckst. Und das ist im Übrigen etwas, was nicht nur einige Männer noch lernen müssen, sondern auch einige Frauen. Sind es doch gerade letztere, die unter Artikeln, in denen es um gendern innerhalb der Sprache geht, wild herumschreien, dass "diesen Quatsch" ja wohl keine "echte" Frau braucht. Beschämend.
Desto erfreuensswerter finde ich es jedes Mal, wenn ein Mann sich stark macht für Emazipation. Gleichberechtigung geht uns nämlich alle an.
Das Schlimme ist, dass meist die falschen Männer unter ihren steinzeitlichen Artgenossen leiden. Die Standpauke zum Thema Sexualisierung bekommen nämlich oft nur die mit, die auch bereit sind, zuzuhören. Und allzu oft bin ich beim Predigen schon über das Ziel hinausgeschossen und habe treudoofen, liebenswerten Männern die Lust am Tindern gehörig verdorben. Dabei kommt von der anderen Seite dann oft ein Satz:
"Ich hab's ja nicht böse gemeint"
Das Todschlagargument unserer Zeit. Damit lässt sich so ziemlich alles rechtfertigen, was man falsch machen kann. Von strukturellem Rassismus, über Homophobie, bis hin zu Chauvinismus: Wenn man es nicht böse gemeint hat, dann soll der andere sich gefälligst nicht so aufregen.
Aber all diese Dinge liegen nicht im Auge des Betrachters. Es geht nicht darum, dass der andere uns absichtlich falsch einschätzt. Es geht darum zuzuhören und ggf. umzudenken. Wer aber direkt jede angebliche Schuldzuweisung von sich wegschiebt, der wird nichts dazu lernen.
Wenn ir also das nächste Mal eine Frau sagt, sie fühlt sich von dir sexualisiert, dann hör nicht die Anklage und geh in die Verteidigung, sondern hör einfach zu. Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt seit über 2000 Jahren im Patriarchat lebt.
Aber es ist deine Verantwortung und in meinen Augen sogar deine Pflicht, etwas daran ändern zu wollen.
Denn KEINER, absolut keiner und demnach auch KEINE Frau, ist auf der Welt, um anderen zu gefallen.
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