Masi N.
Masi. Das bedeuet Messias. Mein Name bedeutet, die Gott geweihte.
"Unsere Namen passen zueinander.", sagte er.
"Ich bin nicht religiös.", sagte ich. Aber ich fand es schön.
"Ich auch nicht.", entgegnete er.
Das Gespräch war ruhig und anders. Er erzählte, dass er aus Afghanistan kommt. Mit 5 Jahren war er mit seiner Familie nach Deutschland gekommen. Ich gab zurück, dass das Leben, das er hatte, für mich unvorstellbar ist, da ich Krieg noch nie erlebt habe. Er erzählte mir eine Geschichte, von Bomben und zitternden Häusern und ich bekam Gänsehaut. Viel schneller, als andere, gewann er mein Vertrauen. Viel schneller als in anderen Gesprächen tauschten wir Nummern aus.
Er fand mich besonders. Ich ihn auch. Und so traurig es klingt: Die Tatsache, dass er nicht eine einzige blöde sexuell zweideutige Bemerkung machte, hob ihn extrem aus der Menge heraus. Wir schrieben erst ununterbrochen miteinander, tauschten dann Sprachnachrichten aus. Seine Stimme war ruhig und gelassen, unterbrochen von kleinen Schnappatmern, die nicht so recht ins Bild passen wollten. Ich fragte ihn, ob er auch lachen könne. Er lachte.
Masi teilte sein Leben mit mir. Er erzählte mir die Geschichte vom Theater, wo er eine Minderjährige geküsst hatte und alle sich gegen ihn kehrten. Dabei war es doch Teil der Rolle gewesen. Und er hatte ihr Alter nicht gewusst. Dennoch hatte er alle Freunde verloren. Und die Liebe fürs Theater.
Ich sollte erst etwas später dahinter kommen, dass Masi immernoch ein grandioser Schauspieler war...
Schon vor dem ersten Treffen, wuchs er mir ans Herz. Er war so erfrischend ehrlich; teilte auch Geschichten mit mir, die andere lieber verheimlicht hätten und genau da lag die Crux: Durch seine Offenheit blendete ich die Alarmglocken aus, als er erzählte, wie er mit 1,8 Promille angehalten wurde. Wie ihm sein Führerschein abgenommen wurde und er dennoch trotzig mit dem Auto nach Hause fuhr. Wie ihn dort die Polizei erwartete und ihm den Führerschein komplett entzog.
Er erzählte von weiteren Jungendsünden und ich redete mir ein, dass dies alles nichts anderes war: Nur Jugendsünden.
Da er, wie bereits erwähnt, keinen Führerschein hatte, fuhr ich zu ihm. Dreißig Minuten von meiner Arbeitsstelle entfernt. Er hatte mir seine Adresse gegeben, bzw. die Adresse seiner Eltern, denn bei denen wohnte er zur Zeit wieder, um sich um sie zu kümmern. Im Voraus hatte ich noch gescherzt, dass kein Führerschein und noch bei den Eltern wohnen ja nicht unbedingt zum Jackpot im Datingbusiness zählen. Er lachte.
Ich stoppte mein Auto in einer Wohnsiedlung, schrieb ihm kurz, dass ich da war, als er auch schon auf mein Auto zulief. Er sah so aus, wie auf seinen Fotos. Etwas kleiner, als erwartet, etwas jungenhafter, aber gut. Er stieg ein und wir umarmten uns im Auto und er dirigierte mich zu einem Burgerhouse. Von Anfang an lief das Gespräch fließend, und ohne die langweiligen Klischeebereiche der Datingwelt abdecken zu müssen. Nach dem Essen zahlte er, überhörte mein Protestieren und sagte: "Ich möchte dich gern einladen." Wie nett, dachte ich noch. Ich wusste ja nicht, dass mir dieser Moment später noch um die Ohren fliegen würde...
Nach dem Essen gingen wir zwei Stunden spazieren. Es gab keinen Moment der Langeweile und er sagte: "Ich möchte noch gar nicht nach Hause."
Ich fand das süß, und obwohl kein besonderer Funke aufkam, fühlte ich mich wohl. Ich hatte nicht das Bedürfnis, ihn zu küssen, aber ich hätte nichts dagegen gehabt, mich an ihn zu lehnen.
Ich bat ihm an, ihn wieder zu Hause abzusetzen, aber er zog es vor an der Tanke auszusteigen. Er brauchte eh noch Tabak und so müsste ich nicht noch einmal in der Siedlung rumkurven. Da ich schon etwas müde war und noch 30 Minuten zurückfahren musste, nahm ich das dankend an und wir fuhren zur Tanke. Im Auto umarmten wir uns, ohne dass eine*r von uns beiden versuchte, den anderen zu küssen. Wir waren uns beide noch nicht sicher, in welche Richtung das Ganze gehen würde. Freundschaft? Oder doch mehr? Man brauchte ja nichts zu überstürzen. Er ging, nicht ohne noch einmal zu sagen, dass er mich wiedersehen will. Ich nickte zustimmend und fuhr davon.
Auf dem Rückweg herrschte Sturm und ich war gespannt, ob mich zu Hause eine Nachricht von ihm erwarten würde, ob ich gut heimgekommen bin. Zu Hause angekommen war mein WhatsApp Posteingang leer. Ich wartete noch die obligatorische halbe Stunde und schrieb ihm selbstständig, dass ich trotz Regen sicher zu Hause sei und wünschte ihm eine Gute Nacht. Dass nichts mehr zurückkam überraschte mich ein wenig, aber vielleicht war er auch einfach müde.
Am nächsten Morgen stellte ich fest, WIE müde ich gewesen sein musste beim Auto abstellen. Mein Auto stand nämlich so bescheiden geparkt, dass ich über die Beifahrerseite einsteigen musste. Beim Einsteigen sah ich auf einmal ein silbernes Handy vor mir. Ich zweifelte kurz, ob es meins war, aber da was wenig Sinn ergab, konnte es nur einem gehören: Masi.
Ich musste laut lachen, über mich selbst. Klar. So KONNTE er mir ja gar nicht schreiben gestern. Wie bescheuert.
Aber wie sollte ich ihm das Handy zurückgeben? Ich hatte nicht besonders viel Lust, wieder eine halbe Stunde zu fahren - ohne zu wissen, ober er überhaupt zu Hause sein würde. Abgesehen davon hatte ich später Orchesterprobe. Was tun?
Ich strengte all meine Stalkerskills an und versuchte ihn bei Facebook zu finden. Vergeblich. Ich kannte nur seinen Vornamen und fand zudem recht schnell raus, dass er den auf Tinder mit einem extra H am Ende geschrieben hatte - warum auch immer. Ich starrte auf sein Handy. Es war natürlich gesichert, wodurch ich keinen seiner Freunde anrufen konnte, doch da blinkte eine Nachricht aus dem Facebook Messenger auf. Ich konnte sehen, von wem sie kam und suchte denjenigen auf Facebook. Über dessen Freundesliste fand ich schnell das Foto, dass er auch schon bei Tinder und WhatsApp im Profil hatte und ich schrieb Masi eine Nachricht, die sich bezog auf eine Aussage vom Vorabend bezüglich seines anwährenden Unglücks: "Du hast aber auch ein Pech!"
Es dauerte eine Stunde, bis ich eine Nachricht zurückbekam:
"Hey! Wie geht's dir? Bist du gut nach Hause gekommen? War schön gestern - und bitte sag mir, dass du mein Handy hast."
Ich musste grinsen. Der Arme hatte sich bestimmt schon Sorgen gemacht. Ich erklärte ihm, dass ich sein Handy heute früh bei mir im Auto gefunden hatte und er reagierte erleichtert. Dann fragte er mich, ob ich es ihm wohl vorbeibringen könnte.
Hm. Ganz schön dreiste Frage irgendwie. Ich war ja am Vorabend bereits zu ihm gefahren. Wäre es da nicht an ihm, die Konsequenzen seiner eigenen Schusseligkeit zu tragen? Ich meine: ER will ja sein Handy zurück...
Ich gab ihm höflich zu verstehen, dass ich trotz des netten Abends schon Pläne hätte für heute und auch - ganz ehrlich - nicht besonders viel Lust nochmal eine extra Stunde rumzugurken. Ich fragte, ob er eine Möglichkeit hätte, es abzuholen. "Kein Problem, ich regel das.", war der ungefähre Wortlaut. Ich war erleichtert.
Er entschied sich, das Handy nach meinem Feierabend an meiner Arbeitsstelle abzuholen. Ich sagte ihm, er könne draußen auf mich warten.
Eine halbe Stunde zu früh klingelte mein Handy. Er wäre schon eher da, ob das okay wäre. Ich sprintete also mit seinem Handy vier Treppe runter, um ihn vor dem Gebäude zu treffen und merkte, dass ich mich doch freute, ihn zu sehen.
Er grinste mich an, wir umarmten einander und er nahm das Handy. Er sagte, er müsse direkt wieder los, da sein Fahrer wartete. Ich hatte das nicht anders erwartet und wir umarmten uns direkt noch einmal. Bevor er ging sagte er: "Mach dir keine Sorgen. Wir werden uns auf jeden Fall wiedersehen."
Ich lief zurück ins Gebäude und freute mich. Masi war nett. Freundlich. Höflich. Und er hatte halt eine wilde Jugend gehabt. Was soll's.
An diesem Tag bekam ich keine Nachricht mehr von ihm. Ich wunderte mich zwar, beließ es aber dabei. Wer weiß, vielleicht hatte er noch zu tun.
Am nächsten Tag bekam ich noch immer keine Nachricht von ihm. An meinen Nachrichten, die ich am Abend des Dates geschickt hatte, grinsten mich zwei blaue Haken an.
"Lebst du noch?", fragte ich am dritten Abend ohne Nachricht - mit einem Zwinkersmiley. Keine Antwort. Keine blauen Haken.
Und da begonn das Karussell in meinem Kopf. Irgendetwas stimmte hier nicht. Hatte ich doch etwas falsch gemacht? Hätte ich ihm das Handy bringen müssen? Kam ich verzweifelt rüber? Aber das war ich doch gar nicht? War ich ihm vielleicht einfach zu hässlich, zu dick, war ihm meine Haut nicht rein genug? Was zur Hölle hatte ich getan?
Zwei weitere Tage vergingen. Ich schrieb ihm, dass ich nicht verstünde, was los sei. Und dass ich darauf hoffe, dass er mir erklären könne, warum er jetzt plötzlich nichts mehr sagt.
Irgendwann schlichen sich zwei blaue haken ein. Die Antwort blieb er mir aber schuldig.
Ich weiß, viele hätten an dieser Stelle drauf geschissen und ihn gelöscht. Aber ich wollte verstehen. Verstehen, was passiert war. Und wenn es nur war, damit das Karussell in meinem Kopf aufhörte. Ich gab ihm nicht die Schuld für das Karussell - das war ganz allein mein eigenes Ding. Aber ich war enttäuscht, mich so getäuscht zu haben.
Also schickte ich ihm noch eine Nachricht. Ich erklärte, wie verwirrt ich immernoch sei und dass ich nicht verstehe, warum er zu mir sagte: "Wir werden uns wieder sehen, mach dir keine Sorgen.", nur um direkt danach zu verschwinden und mich zu ghosten.
Nichts.
Es vergingen anderthalb Wochen. Bis heute. Heute lag ich in der Wanne und ich dachte noch einmal darüber nach, wie schlecht ich doch immer damit umgehen kann, wenn mich Menschen enttäuschen und wie viele unnötige Gedanken ich mir gemacht hatte über Masi.
Ich entschied mich zu einer letzten Nachricht. Ich erzählte ihm von meinem Gedankenkarussell und, dass ich Verständnis gehabt hätte, wenn er keinen Kontakt mehr gewollt hätte, aber dass ich mir gewünscht hätte, er hätte dies einfach gesagt, statt mich zu ignorieren.
Und Tadaa, es kam etwas zurück. Ein Sprachnachricht.
00:43
43 Sekunden, die mich mit weit geöffnetem Mund und erstaunten Augen zurückließen.
Ich könne ihm noch so viele Nachrichten schreiben wie ich wolle, er kenne das schon von anderen Frauen und er würde jetzt dieses eine Mal reagieren und nie wieder. Ich sei nicht zu vertrauen. Sein Handy verloren? Von wegen! Ich habe ihn doch angerempelt beim Spazierengehen und dabei wahrscheinlich sein Handy eingesteckt. Er habe es NOCH NIE verloren und deshalb wäre diese Möglichkeit ausgeschlossen.
Als wäre diese un-zurechte Anschuldigung nicht schon genug gewesen, tönte er in einem aggressiven Ton weiter:
"Ich hab dich [zum Essen] eingeladen und du bringst mir nichtmal mein Handy zurück. Das ist ne Schweinerei!"
So viel zum Thema, der Satz flog mir noch um die Ohren. Liebe Männer, ihr müsst uns Anno 2019 nicht zum Essen einladen. Wenn ihr es aber tun wollte, und eine Frau lässt euch gewähren, dann benutzt es nicht später als Druckmittel gegen sie. Ein Geschenk verpflichtet zu gar nichts. Punkt aus.
Ich entschied mich, noch einmal ehrlich zu sein und schickte eine Nachricht zurück. Ich gab an, wie mich die Anschuldigungen getroffen haben. Dass ich sein Handy nicht selbst genommen hatte, sondern es in meinem Auto lag. Dass ich schockiert bin, wie er auf diesen Verdacht kommt.
Zurück kam, dass ich nicht vertrauenswürdig sei (warum auch immer) und das hier:
"Wir haben uns einmal getroffen, das geht dir so nahe als wenn wir Monate zusammen wären."
Und diese Art des emotionalen Downgradings erlebe ich auf Tinder immer wieder. Es wird gebattled darüber, wem der andere egaler ist. Männer, die einem erzählen, wie besonders sie einen finden und wie anders als alle anderen, regen sich anschließend gekünstelt darüber auf, wie albern und emotional man sei, wenn man dieser Sache Bedeutung zugemessen hätte.
Nein, es ging mir nicht nahe, als wären wir Monate zusammen gewesen. Aber es spukte mir im Kopf rum und sorgte dafür, dass ich mich unsicher fühlte. Und es ist okay, das zuzugeben. Ich bin tausendmal lieber ein Mensch, der sich verwundert und der verletzlich ist, als jemand den nichts mehr interessiert.
Liebe Männer (und auch Frauen) im Dating: Seid doch einfach ehrlich. Denkt euch im Voraus keine einzigartigen Gefühle aus, die ihr nicht habt. Und wenn ihr sie doch hattet, dann tut am Ende nicht so, als sei der andere bescheuert, weil er/sie nicht versteht, warum ihr ihn/sie aus heiterem Himmel ignoriert und tut als wäre euch das Alles total egal.
Es macht euch nicht besser, wenn euch andere egal sind. Es macht euch nicht zum Gewinner. Es macht höchstens traurig. Den anderen, und euch schlussendlich auch.
Vielleicht liest du ja diese Worte hier, Masi. Und vielleicht hörst du irgendwann auf, dein Misstrauen wie Gift in diese Welt zu spritzen und damit anderen weh zu tun.
Masi N. Der einzige Name in diesem Blog den ich nicht ändern werde. Weil kein Mensch es verdient hat, so behandelt zu werden und weil ich hoffe, dass auf diese Art und Weise, andere Menschen vor ihm gewarnt sind.
Masi. Das bedeuet Messias. Mein Name bedeutet, die Gott geweihte.
"Unsere Namen passen zueinander.", sagte er.
"Ich bin nicht religiös.", sagte ich. Aber ich fand es schön.
"Ich auch nicht.", entgegnete er.
Das Gespräch war ruhig und anders. Er erzählte, dass er aus Afghanistan kommt. Mit 5 Jahren war er mit seiner Familie nach Deutschland gekommen. Ich gab zurück, dass das Leben, das er hatte, für mich unvorstellbar ist, da ich Krieg noch nie erlebt habe. Er erzählte mir eine Geschichte, von Bomben und zitternden Häusern und ich bekam Gänsehaut. Viel schneller, als andere, gewann er mein Vertrauen. Viel schneller als in anderen Gesprächen tauschten wir Nummern aus.
Er fand mich besonders. Ich ihn auch. Und so traurig es klingt: Die Tatsache, dass er nicht eine einzige blöde sexuell zweideutige Bemerkung machte, hob ihn extrem aus der Menge heraus. Wir schrieben erst ununterbrochen miteinander, tauschten dann Sprachnachrichten aus. Seine Stimme war ruhig und gelassen, unterbrochen von kleinen Schnappatmern, die nicht so recht ins Bild passen wollten. Ich fragte ihn, ob er auch lachen könne. Er lachte.
Masi teilte sein Leben mit mir. Er erzählte mir die Geschichte vom Theater, wo er eine Minderjährige geküsst hatte und alle sich gegen ihn kehrten. Dabei war es doch Teil der Rolle gewesen. Und er hatte ihr Alter nicht gewusst. Dennoch hatte er alle Freunde verloren. Und die Liebe fürs Theater.
Ich sollte erst etwas später dahinter kommen, dass Masi immernoch ein grandioser Schauspieler war...
Schon vor dem ersten Treffen, wuchs er mir ans Herz. Er war so erfrischend ehrlich; teilte auch Geschichten mit mir, die andere lieber verheimlicht hätten und genau da lag die Crux: Durch seine Offenheit blendete ich die Alarmglocken aus, als er erzählte, wie er mit 1,8 Promille angehalten wurde. Wie ihm sein Führerschein abgenommen wurde und er dennoch trotzig mit dem Auto nach Hause fuhr. Wie ihn dort die Polizei erwartete und ihm den Führerschein komplett entzog.
Er erzählte von weiteren Jungendsünden und ich redete mir ein, dass dies alles nichts anderes war: Nur Jugendsünden.
Da er, wie bereits erwähnt, keinen Führerschein hatte, fuhr ich zu ihm. Dreißig Minuten von meiner Arbeitsstelle entfernt. Er hatte mir seine Adresse gegeben, bzw. die Adresse seiner Eltern, denn bei denen wohnte er zur Zeit wieder, um sich um sie zu kümmern. Im Voraus hatte ich noch gescherzt, dass kein Führerschein und noch bei den Eltern wohnen ja nicht unbedingt zum Jackpot im Datingbusiness zählen. Er lachte.
Ich stoppte mein Auto in einer Wohnsiedlung, schrieb ihm kurz, dass ich da war, als er auch schon auf mein Auto zulief. Er sah so aus, wie auf seinen Fotos. Etwas kleiner, als erwartet, etwas jungenhafter, aber gut. Er stieg ein und wir umarmten uns im Auto und er dirigierte mich zu einem Burgerhouse. Von Anfang an lief das Gespräch fließend, und ohne die langweiligen Klischeebereiche der Datingwelt abdecken zu müssen. Nach dem Essen zahlte er, überhörte mein Protestieren und sagte: "Ich möchte dich gern einladen." Wie nett, dachte ich noch. Ich wusste ja nicht, dass mir dieser Moment später noch um die Ohren fliegen würde...
Nach dem Essen gingen wir zwei Stunden spazieren. Es gab keinen Moment der Langeweile und er sagte: "Ich möchte noch gar nicht nach Hause."
Ich fand das süß, und obwohl kein besonderer Funke aufkam, fühlte ich mich wohl. Ich hatte nicht das Bedürfnis, ihn zu küssen, aber ich hätte nichts dagegen gehabt, mich an ihn zu lehnen.
Ich bat ihm an, ihn wieder zu Hause abzusetzen, aber er zog es vor an der Tanke auszusteigen. Er brauchte eh noch Tabak und so müsste ich nicht noch einmal in der Siedlung rumkurven. Da ich schon etwas müde war und noch 30 Minuten zurückfahren musste, nahm ich das dankend an und wir fuhren zur Tanke. Im Auto umarmten wir uns, ohne dass eine*r von uns beiden versuchte, den anderen zu küssen. Wir waren uns beide noch nicht sicher, in welche Richtung das Ganze gehen würde. Freundschaft? Oder doch mehr? Man brauchte ja nichts zu überstürzen. Er ging, nicht ohne noch einmal zu sagen, dass er mich wiedersehen will. Ich nickte zustimmend und fuhr davon.
Auf dem Rückweg herrschte Sturm und ich war gespannt, ob mich zu Hause eine Nachricht von ihm erwarten würde, ob ich gut heimgekommen bin. Zu Hause angekommen war mein WhatsApp Posteingang leer. Ich wartete noch die obligatorische halbe Stunde und schrieb ihm selbstständig, dass ich trotz Regen sicher zu Hause sei und wünschte ihm eine Gute Nacht. Dass nichts mehr zurückkam überraschte mich ein wenig, aber vielleicht war er auch einfach müde.
Am nächsten Morgen stellte ich fest, WIE müde ich gewesen sein musste beim Auto abstellen. Mein Auto stand nämlich so bescheiden geparkt, dass ich über die Beifahrerseite einsteigen musste. Beim Einsteigen sah ich auf einmal ein silbernes Handy vor mir. Ich zweifelte kurz, ob es meins war, aber da was wenig Sinn ergab, konnte es nur einem gehören: Masi.
Ich musste laut lachen, über mich selbst. Klar. So KONNTE er mir ja gar nicht schreiben gestern. Wie bescheuert.
Aber wie sollte ich ihm das Handy zurückgeben? Ich hatte nicht besonders viel Lust, wieder eine halbe Stunde zu fahren - ohne zu wissen, ober er überhaupt zu Hause sein würde. Abgesehen davon hatte ich später Orchesterprobe. Was tun?
Ich strengte all meine Stalkerskills an und versuchte ihn bei Facebook zu finden. Vergeblich. Ich kannte nur seinen Vornamen und fand zudem recht schnell raus, dass er den auf Tinder mit einem extra H am Ende geschrieben hatte - warum auch immer. Ich starrte auf sein Handy. Es war natürlich gesichert, wodurch ich keinen seiner Freunde anrufen konnte, doch da blinkte eine Nachricht aus dem Facebook Messenger auf. Ich konnte sehen, von wem sie kam und suchte denjenigen auf Facebook. Über dessen Freundesliste fand ich schnell das Foto, dass er auch schon bei Tinder und WhatsApp im Profil hatte und ich schrieb Masi eine Nachricht, die sich bezog auf eine Aussage vom Vorabend bezüglich seines anwährenden Unglücks: "Du hast aber auch ein Pech!"
Es dauerte eine Stunde, bis ich eine Nachricht zurückbekam:
"Hey! Wie geht's dir? Bist du gut nach Hause gekommen? War schön gestern - und bitte sag mir, dass du mein Handy hast."
Ich musste grinsen. Der Arme hatte sich bestimmt schon Sorgen gemacht. Ich erklärte ihm, dass ich sein Handy heute früh bei mir im Auto gefunden hatte und er reagierte erleichtert. Dann fragte er mich, ob ich es ihm wohl vorbeibringen könnte.
Hm. Ganz schön dreiste Frage irgendwie. Ich war ja am Vorabend bereits zu ihm gefahren. Wäre es da nicht an ihm, die Konsequenzen seiner eigenen Schusseligkeit zu tragen? Ich meine: ER will ja sein Handy zurück...
Ich gab ihm höflich zu verstehen, dass ich trotz des netten Abends schon Pläne hätte für heute und auch - ganz ehrlich - nicht besonders viel Lust nochmal eine extra Stunde rumzugurken. Ich fragte, ob er eine Möglichkeit hätte, es abzuholen. "Kein Problem, ich regel das.", war der ungefähre Wortlaut. Ich war erleichtert.
Er entschied sich, das Handy nach meinem Feierabend an meiner Arbeitsstelle abzuholen. Ich sagte ihm, er könne draußen auf mich warten.
Eine halbe Stunde zu früh klingelte mein Handy. Er wäre schon eher da, ob das okay wäre. Ich sprintete also mit seinem Handy vier Treppe runter, um ihn vor dem Gebäude zu treffen und merkte, dass ich mich doch freute, ihn zu sehen.
Er grinste mich an, wir umarmten einander und er nahm das Handy. Er sagte, er müsse direkt wieder los, da sein Fahrer wartete. Ich hatte das nicht anders erwartet und wir umarmten uns direkt noch einmal. Bevor er ging sagte er: "Mach dir keine Sorgen. Wir werden uns auf jeden Fall wiedersehen."
Ich lief zurück ins Gebäude und freute mich. Masi war nett. Freundlich. Höflich. Und er hatte halt eine wilde Jugend gehabt. Was soll's.
An diesem Tag bekam ich keine Nachricht mehr von ihm. Ich wunderte mich zwar, beließ es aber dabei. Wer weiß, vielleicht hatte er noch zu tun.
Am nächsten Tag bekam ich noch immer keine Nachricht von ihm. An meinen Nachrichten, die ich am Abend des Dates geschickt hatte, grinsten mich zwei blaue Haken an.
"Lebst du noch?", fragte ich am dritten Abend ohne Nachricht - mit einem Zwinkersmiley. Keine Antwort. Keine blauen Haken.
Und da begonn das Karussell in meinem Kopf. Irgendetwas stimmte hier nicht. Hatte ich doch etwas falsch gemacht? Hätte ich ihm das Handy bringen müssen? Kam ich verzweifelt rüber? Aber das war ich doch gar nicht? War ich ihm vielleicht einfach zu hässlich, zu dick, war ihm meine Haut nicht rein genug? Was zur Hölle hatte ich getan?
Zwei weitere Tage vergingen. Ich schrieb ihm, dass ich nicht verstünde, was los sei. Und dass ich darauf hoffe, dass er mir erklären könne, warum er jetzt plötzlich nichts mehr sagt.
Irgendwann schlichen sich zwei blaue haken ein. Die Antwort blieb er mir aber schuldig.
Ich weiß, viele hätten an dieser Stelle drauf geschissen und ihn gelöscht. Aber ich wollte verstehen. Verstehen, was passiert war. Und wenn es nur war, damit das Karussell in meinem Kopf aufhörte. Ich gab ihm nicht die Schuld für das Karussell - das war ganz allein mein eigenes Ding. Aber ich war enttäuscht, mich so getäuscht zu haben.
Also schickte ich ihm noch eine Nachricht. Ich erklärte, wie verwirrt ich immernoch sei und dass ich nicht verstehe, warum er zu mir sagte: "Wir werden uns wieder sehen, mach dir keine Sorgen.", nur um direkt danach zu verschwinden und mich zu ghosten.
Nichts.
Es vergingen anderthalb Wochen. Bis heute. Heute lag ich in der Wanne und ich dachte noch einmal darüber nach, wie schlecht ich doch immer damit umgehen kann, wenn mich Menschen enttäuschen und wie viele unnötige Gedanken ich mir gemacht hatte über Masi.
Ich entschied mich zu einer letzten Nachricht. Ich erzählte ihm von meinem Gedankenkarussell und, dass ich Verständnis gehabt hätte, wenn er keinen Kontakt mehr gewollt hätte, aber dass ich mir gewünscht hätte, er hätte dies einfach gesagt, statt mich zu ignorieren.
Und Tadaa, es kam etwas zurück. Ein Sprachnachricht.
00:43
43 Sekunden, die mich mit weit geöffnetem Mund und erstaunten Augen zurückließen.
Ich könne ihm noch so viele Nachrichten schreiben wie ich wolle, er kenne das schon von anderen Frauen und er würde jetzt dieses eine Mal reagieren und nie wieder. Ich sei nicht zu vertrauen. Sein Handy verloren? Von wegen! Ich habe ihn doch angerempelt beim Spazierengehen und dabei wahrscheinlich sein Handy eingesteckt. Er habe es NOCH NIE verloren und deshalb wäre diese Möglichkeit ausgeschlossen.
Als wäre diese un-zurechte Anschuldigung nicht schon genug gewesen, tönte er in einem aggressiven Ton weiter:
"Ich hab dich [zum Essen] eingeladen und du bringst mir nichtmal mein Handy zurück. Das ist ne Schweinerei!"
So viel zum Thema, der Satz flog mir noch um die Ohren. Liebe Männer, ihr müsst uns Anno 2019 nicht zum Essen einladen. Wenn ihr es aber tun wollte, und eine Frau lässt euch gewähren, dann benutzt es nicht später als Druckmittel gegen sie. Ein Geschenk verpflichtet zu gar nichts. Punkt aus.
Ich entschied mich, noch einmal ehrlich zu sein und schickte eine Nachricht zurück. Ich gab an, wie mich die Anschuldigungen getroffen haben. Dass ich sein Handy nicht selbst genommen hatte, sondern es in meinem Auto lag. Dass ich schockiert bin, wie er auf diesen Verdacht kommt.
Zurück kam, dass ich nicht vertrauenswürdig sei (warum auch immer) und das hier:
"Wir haben uns einmal getroffen, das geht dir so nahe als wenn wir Monate zusammen wären."
Und diese Art des emotionalen Downgradings erlebe ich auf Tinder immer wieder. Es wird gebattled darüber, wem der andere egaler ist. Männer, die einem erzählen, wie besonders sie einen finden und wie anders als alle anderen, regen sich anschließend gekünstelt darüber auf, wie albern und emotional man sei, wenn man dieser Sache Bedeutung zugemessen hätte.
Nein, es ging mir nicht nahe, als wären wir Monate zusammen gewesen. Aber es spukte mir im Kopf rum und sorgte dafür, dass ich mich unsicher fühlte. Und es ist okay, das zuzugeben. Ich bin tausendmal lieber ein Mensch, der sich verwundert und der verletzlich ist, als jemand den nichts mehr interessiert.
Liebe Männer (und auch Frauen) im Dating: Seid doch einfach ehrlich. Denkt euch im Voraus keine einzigartigen Gefühle aus, die ihr nicht habt. Und wenn ihr sie doch hattet, dann tut am Ende nicht so, als sei der andere bescheuert, weil er/sie nicht versteht, warum ihr ihn/sie aus heiterem Himmel ignoriert und tut als wäre euch das Alles total egal.
Es macht euch nicht besser, wenn euch andere egal sind. Es macht euch nicht zum Gewinner. Es macht höchstens traurig. Den anderen, und euch schlussendlich auch.
Vielleicht liest du ja diese Worte hier, Masi. Und vielleicht hörst du irgendwann auf, dein Misstrauen wie Gift in diese Welt zu spritzen und damit anderen weh zu tun.
Masi N. Der einzige Name in diesem Blog den ich nicht ändern werde. Weil kein Mensch es verdient hat, so behandelt zu werden und weil ich hoffe, dass auf diese Art und Weise, andere Menschen vor ihm gewarnt sind.
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