Wir springen zurück ins Jahr 2018. Ich wohnte zum besagten Zeitpunkt in einem Gartenhäuschen in Tilburg, NL. Wie ich da gelandet war, erfahrt ihr in einer anderen Geschichte.
Ich war zum besagten Zeitpunkt relativ tief im Loch. Es war Herbst und zu meiner sowieso schon sehr anwesenden Depression mischte sich ein gehöriger Winterblues. (Ja, das geht auch schon im Herbst.)
Leider Gottes sind es oft die Momente der Einsamkeit, die mich auch Tinder ziehen und so blies ich meinem Account neues Leben ein und swipte wie eine Wilde. Ich fand nicht viel. Aber ich fand Peter.
Peter, dessen namen ich nicht nur der Anonymität wegen ändern musste, sondern auch weil ich mich schlichtweg nicht mehr an ihn erinnere. Ganz schön traurig.
Peter holte mich ab, am Häuschen vor dem Gartenhäuschen. Er kam mit dem Auto und sah in echt sogar irgendwie besser aus, als auf seinen Fotos, was ihn von nicht besonders attraktiv auf mittelmäßig attraktiv aufsteigen ließ.
Wir hatten keinen richtigen Plan, also fuhren wir erstmal wild drauf los. Peter redete ununterbrochen Blödsinn, was mich zu einem fortwährenden semi-nervösen Machen veranlasste. Dieses wurde wiederum von ihm kommentiert mit: "Du lachst auch über alles, oder?"
Ich fühlte mich ertappt. Peter war in seiner schrägen Art nicht besonders höflich, aber er hatte einen Punkt getroffen: Ich lachte, weil ich mir keine Haltung zu geben wusste. Tat ich das vielleicht sogar häufiger? Oh je.
Trotz gnadenloser Ehrlichkeit - oder genau deswegen - war die Fahrt gar nicht mal so ungesellig. Wir fuhren planlos über die Bundesstraße und er bestand darauf, dass ich sagen müsse, wo ich hin wolle. Da ich das letzte halbe Jahr abgeschottet von der Welt verbracht hatte und mich in der Gegend null auskannte, blieb mir nichts anderes als ein Schuss ins Blaue. Ich sah ein dazu passendes blaues Schild, was eine Wasserburg ankündigte und ich kommandierte Peter in einem Anflug von Tollkühnheit, dem Schild zu folgen.
Wir fuhren mitten in einen Wald und beschlossen, ein wenig zu Fuß die Gegen zu erkunden. Ich merkte, wie ich mich immer wohler fühlte in der Rolle der spontanen, abenteuerlustigen Frau. Konnte Peter ja nicht wissen, dass ich eigentlich in den letzten Monaten alles andere als abenteuerlustig gewesen war...
Wir erkundeten den Wald und trafen dabei auf zwei Roller und ein Auto, dass verdächtig suchend umher fuhr und nach etwas Asschau zu halten schien. Sofort ging meine Fantasie mit mir durch und ich stellte wilde Verschwörungstheorien auf über geheime Geldübergabetreffen von illegalen Drogenhandelsgeschäften. Peter stieg voll mit ein, schien allerdings im Gegensatz zu mir etwas Angst vor unserer eigenen Geschichte zu bekommen. Als wir kurz drauf vor einem Bunker standen, traute er sich dann auch prompt nicht rein.
Ich muss zugeben, das fand ich nicht nur schwach, sondern auch eher unattraktiv. Das Bild des starken Retters hatte sich, trotz Emanzipation, nicht aus meinem Kopf gelöscht. Ich weiß, das ist hypokritisch, aber ich schiebe an dieser Stelle alles auf Grimm's Unemanzipierte Märchen und Hans Christian Gar-nicht-mal-so-Anders-en, in deren Geschichten zumeist unmündige Frauen mit Vaterkomplex (siehe Arielle!) von narzistischen Prinzen gerettet werden müssen.
Todesmutig wagte ich den Gang in den Bunker ganz alleine, während der penetrante Peter mit wohlmöglich schlotternden Knien draußen wartete. Dank Handy-Taschenlampe leuchtete ich mir den Weg und sah.....!
Nichts. Also abgesehen von einigen leeren Bierdosen.
Das deutete jetzt nicht wirklich darauf, dass sich hier das Epizentrum des illegalen Drogenhandels in Noord-Brabant lag. Einigermaßen enttäuscht klauterte ich zurück. Im echten Leben ist es eben selten wie bei den 5 Freunden, denen ich seit meiner Kindheit in diversen Detektivclubs nachgeeifert hatte. Ein alter Bunker ist meist Saufplatz für Jugendliche, statt kriminelles Nest.
Den Rest des Weges durch den Wald triezte Peter mich mit ungefähr allem, was ich tat oder sagte. Er fand sich selbst neckisch, glaube ich. Ich fand das zuerst auch.
Dann fand ich es penetrant. War die große Klappe etwas nur Tarnung, um ein kleines Hasenherz zu verstecken?
Auf dem Rückweg kamen wir an einem Kino vorbei und Peter ließ verlauten, dass er mich theoretisch ja mal mit ins Kino nehmen würde, aber nicht beim ersten Date, denn ich wäre bestimmt so eine, die nur auf Tinder ist, um tolle Sachen mit Männern zu unternehmen, und diese dann dafür zahlen zu lassen.
Er sagte das zwar wiederum sehr neckisch, aber ich schmeckte einen Hauch von echter Unsicherheit.
Ich wollte ihn schon zurechtweisen: "Also wenn ich überhaupt mit dir uns Kino gehen würde, dann würde ich selbst zahlen. Außerdem kann ich mir Schöneres vorstellen, als mit einem Mann aus der Tinderwundertüte im Kino zu sitzen um festzustellen, dass er nichts Besseres zu tun hat, als mich die gesamte Zeit aufzuziehen!"
Bis mir auffiel, dass ich tatsächlich kein Geld fürs Kino hätte. Das machte mich nachdenklich: Benutzte ich Tinder, um rauszukommen? Raus aus dem ewig gleichen Loch und zurück ins Abenteuer?
Ja. Wahrscheinlich schon. Und wenn ich unterwegs Männer finanziell ausnutzen würde, dann wäre das tatsächlich verwerflich. Andererseits musste jeder Mensch selbst entscheiden, was er mit seinem Geld tat. Wo fing hier meine Verantwortung an, und wo hörte sie auf?
Diese Frage hatte ich mir bereits beim nächtlichen Seelentröster gestellt, von dem ich euch in einer anderen Geschichte berichten werde, und ich würde sie mir auch noch viel häufiger stellen.
Eine zufriedenstellende Antwort habe ich bis heute nicht gefunden.
Ich versichtere Peter, dass ich nicht vor hatte, ihn finanziell auszunutzen und das Date trudelte langsam aus. Er setzte mich wieder zu Hause ab und zumindest mir war klar: Über eine Freundschaft hinaus, würde hier nichts entstehen. Irgendwie fehlte mir der Anlehn-Faktor und das Knistern.
Peter und ich haben uns danach nie wieder gesehen. Kurz nach unserem Treffen lernte ich den McDonald's Mann kennen (noch so eine Geschichte!) und gab es eine zeitlang keinen Anlass mehr dazu, auf Tinder zu stöbern. Außerdem kriegten wir uns wegen irgendeiner Kleinigkeit auf WhatsApp anne Köppe und blockierten uns irgendwann gegenseitig, wie sich das eben gehört im Zeitalter digitaler Ignoranz.
PS: Die Wasserburg vom blauen Schild haben wir übrigens bis heute nicht gefunden.
Ich war zum besagten Zeitpunkt relativ tief im Loch. Es war Herbst und zu meiner sowieso schon sehr anwesenden Depression mischte sich ein gehöriger Winterblues. (Ja, das geht auch schon im Herbst.)
Leider Gottes sind es oft die Momente der Einsamkeit, die mich auch Tinder ziehen und so blies ich meinem Account neues Leben ein und swipte wie eine Wilde. Ich fand nicht viel. Aber ich fand Peter.
Peter, dessen namen ich nicht nur der Anonymität wegen ändern musste, sondern auch weil ich mich schlichtweg nicht mehr an ihn erinnere. Ganz schön traurig.
Peter holte mich ab, am Häuschen vor dem Gartenhäuschen. Er kam mit dem Auto und sah in echt sogar irgendwie besser aus, als auf seinen Fotos, was ihn von nicht besonders attraktiv auf mittelmäßig attraktiv aufsteigen ließ.
Wir hatten keinen richtigen Plan, also fuhren wir erstmal wild drauf los. Peter redete ununterbrochen Blödsinn, was mich zu einem fortwährenden semi-nervösen Machen veranlasste. Dieses wurde wiederum von ihm kommentiert mit: "Du lachst auch über alles, oder?"
Ich fühlte mich ertappt. Peter war in seiner schrägen Art nicht besonders höflich, aber er hatte einen Punkt getroffen: Ich lachte, weil ich mir keine Haltung zu geben wusste. Tat ich das vielleicht sogar häufiger? Oh je.
Trotz gnadenloser Ehrlichkeit - oder genau deswegen - war die Fahrt gar nicht mal so ungesellig. Wir fuhren planlos über die Bundesstraße und er bestand darauf, dass ich sagen müsse, wo ich hin wolle. Da ich das letzte halbe Jahr abgeschottet von der Welt verbracht hatte und mich in der Gegend null auskannte, blieb mir nichts anderes als ein Schuss ins Blaue. Ich sah ein dazu passendes blaues Schild, was eine Wasserburg ankündigte und ich kommandierte Peter in einem Anflug von Tollkühnheit, dem Schild zu folgen.
Wir fuhren mitten in einen Wald und beschlossen, ein wenig zu Fuß die Gegen zu erkunden. Ich merkte, wie ich mich immer wohler fühlte in der Rolle der spontanen, abenteuerlustigen Frau. Konnte Peter ja nicht wissen, dass ich eigentlich in den letzten Monaten alles andere als abenteuerlustig gewesen war...
Wir erkundeten den Wald und trafen dabei auf zwei Roller und ein Auto, dass verdächtig suchend umher fuhr und nach etwas Asschau zu halten schien. Sofort ging meine Fantasie mit mir durch und ich stellte wilde Verschwörungstheorien auf über geheime Geldübergabetreffen von illegalen Drogenhandelsgeschäften. Peter stieg voll mit ein, schien allerdings im Gegensatz zu mir etwas Angst vor unserer eigenen Geschichte zu bekommen. Als wir kurz drauf vor einem Bunker standen, traute er sich dann auch prompt nicht rein.
Ich muss zugeben, das fand ich nicht nur schwach, sondern auch eher unattraktiv. Das Bild des starken Retters hatte sich, trotz Emanzipation, nicht aus meinem Kopf gelöscht. Ich weiß, das ist hypokritisch, aber ich schiebe an dieser Stelle alles auf Grimm's Unemanzipierte Märchen und Hans Christian Gar-nicht-mal-so-Anders-en, in deren Geschichten zumeist unmündige Frauen mit Vaterkomplex (siehe Arielle!) von narzistischen Prinzen gerettet werden müssen.
Todesmutig wagte ich den Gang in den Bunker ganz alleine, während der penetrante Peter mit wohlmöglich schlotternden Knien draußen wartete. Dank Handy-Taschenlampe leuchtete ich mir den Weg und sah.....!
Nichts. Also abgesehen von einigen leeren Bierdosen.
Das deutete jetzt nicht wirklich darauf, dass sich hier das Epizentrum des illegalen Drogenhandels in Noord-Brabant lag. Einigermaßen enttäuscht klauterte ich zurück. Im echten Leben ist es eben selten wie bei den 5 Freunden, denen ich seit meiner Kindheit in diversen Detektivclubs nachgeeifert hatte. Ein alter Bunker ist meist Saufplatz für Jugendliche, statt kriminelles Nest.
Den Rest des Weges durch den Wald triezte Peter mich mit ungefähr allem, was ich tat oder sagte. Er fand sich selbst neckisch, glaube ich. Ich fand das zuerst auch.
Dann fand ich es penetrant. War die große Klappe etwas nur Tarnung, um ein kleines Hasenherz zu verstecken?
Auf dem Rückweg kamen wir an einem Kino vorbei und Peter ließ verlauten, dass er mich theoretisch ja mal mit ins Kino nehmen würde, aber nicht beim ersten Date, denn ich wäre bestimmt so eine, die nur auf Tinder ist, um tolle Sachen mit Männern zu unternehmen, und diese dann dafür zahlen zu lassen.
Er sagte das zwar wiederum sehr neckisch, aber ich schmeckte einen Hauch von echter Unsicherheit.
Ich wollte ihn schon zurechtweisen: "Also wenn ich überhaupt mit dir uns Kino gehen würde, dann würde ich selbst zahlen. Außerdem kann ich mir Schöneres vorstellen, als mit einem Mann aus der Tinderwundertüte im Kino zu sitzen um festzustellen, dass er nichts Besseres zu tun hat, als mich die gesamte Zeit aufzuziehen!"
Bis mir auffiel, dass ich tatsächlich kein Geld fürs Kino hätte. Das machte mich nachdenklich: Benutzte ich Tinder, um rauszukommen? Raus aus dem ewig gleichen Loch und zurück ins Abenteuer?
Ja. Wahrscheinlich schon. Und wenn ich unterwegs Männer finanziell ausnutzen würde, dann wäre das tatsächlich verwerflich. Andererseits musste jeder Mensch selbst entscheiden, was er mit seinem Geld tat. Wo fing hier meine Verantwortung an, und wo hörte sie auf?
Diese Frage hatte ich mir bereits beim nächtlichen Seelentröster gestellt, von dem ich euch in einer anderen Geschichte berichten werde, und ich würde sie mir auch noch viel häufiger stellen.
Eine zufriedenstellende Antwort habe ich bis heute nicht gefunden.
Ich versichtere Peter, dass ich nicht vor hatte, ihn finanziell auszunutzen und das Date trudelte langsam aus. Er setzte mich wieder zu Hause ab und zumindest mir war klar: Über eine Freundschaft hinaus, würde hier nichts entstehen. Irgendwie fehlte mir der Anlehn-Faktor und das Knistern.
Peter und ich haben uns danach nie wieder gesehen. Kurz nach unserem Treffen lernte ich den McDonald's Mann kennen (noch so eine Geschichte!) und gab es eine zeitlang keinen Anlass mehr dazu, auf Tinder zu stöbern. Außerdem kriegten wir uns wegen irgendeiner Kleinigkeit auf WhatsApp anne Köppe und blockierten uns irgendwann gegenseitig, wie sich das eben gehört im Zeitalter digitaler Ignoranz.
PS: Die Wasserburg vom blauen Schild haben wir übrigens bis heute nicht gefunden.
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